Altenheim

Mit Sack, Pack und Blumentopf

von Elke Wittich

»Was e schee Zimmersche!« Luise Neumann verfällt vor lauter Begeisterung über ihr neues Zuhause im jüdischen Altenheim Frankfurt in lupenreines Hessisch. Ähnliches, wenn auch in unterschiedlichen Dialekten, hört man in dieser Woche von weiteren Bewohnern. Das Altenheim an der Bornheimer Landwehr zieht ins Vorderhaus.
Der gerade fertiggestellte Umbau begeistert die Senioren, besonders die hellen, freundlichen Farben ihres neuen Domizils haben es ihnen angetan. Der Kontrast zu ihrer bisherigen Umgebung ist groß. Dort vermufftes 70er-Jahre-Ambiente mit tristen Farben und klaustrophobisch-dunklen engen Gängen – hier lichte, mediterrane Gestaltung, die eher an den Wellness-Bereich eines Hotels erinnert.
»Ich hab’ überhaupt nichts mehr zu tun«, freut sich Luise Neumann, »es ist alles so, wie ich es auch selber eingerichtet hätte.« Dabei geholfen hat ein Plan, den die alte Dame vorher mit Hilfe ihrer Betreuerinnen erstellt hat und der nun gut sichtbar am Fenster klebt. Auf dem Papier ist genau aufgemalt, welches Möbelstück wo stehen soll.
So ein Umgebungswechsel streßt schon junge Menschen, für Senioren ist er aber noch viel schwieriger. »Ein Raum ist durchaus eine Stütze«, sagt Barbara Chalupa, Leiterin der Sozialabteilung. »Eine gewohnte Umgebung verschafft Sicherheit, und das ist besonders dann wichtig, wenn man etwas wackelig auf den Beinen ist. Außerdem machen Veränderungen Angst.«
Gut geplante Neuerungen können rüstigen Senioren jedoch auch Spaß machen. Wie Luise Neumann ist auch ihre Nachbarin mit dem Umzug gut zurechtgekommen. »Es ist alles perfekt gelaufen«, sagt sie fröhlich› während sie ihre Blumentöpfe auf der Fensterbank ordnet. Zeit für ein längeres Gespräch hat sie jetzt nicht. »Ich muß hier mal weiterkramen.«
Auch Rudolf Ettlinger ist guter Laune. Während zwei Mitarbeiterinnen seine Kleidung in den Schrank räumen, freut sich der zierliche Mann im Rollstuhl darüber, daß seine Briefmarken in den bunten Schachteln den Umzug unbeschadet überstanden haben und vor allem noch vollzählig sind. Seine Sammlung ist nicht klein. »Ich weiß schon kaum noch, wohin damit«, seufzt der ehemalige Briefträger. Aber er lächelt dabei, denn er unternimmt alles, damit sich der Bestand vergrößert. Ettinger steht in regem Briefkontakt mit anderen Sammlern aus aller Welt. Gerade erst, berichtet er stolz, habe er einige Marken aus Abu Dhabi bekommen. Kontakt zur Welt außerhalb des Seniorenheims ist ihm ganz wichtig. »Wird das Telefon auch wirklich umgestellt?« fragt er bang und erzählt von seiner Schwester in New York, die ganz sicher in den nächsten Tagen anrufen wird, um sich zu erkundigen, ob der Umzug gut verlaufen ist. »Es ist alles geregelt«, beruhigen die Pflegerinnen den alten Herrn.
Fürs reibungslose Regeln ist in erster Linie Leo Friedman verantwortlich, der Leiter des Seniorenheims. Sein neues Büro sieht noch etwas chaotisch aus: Ein Teil des meerblauen PVC-Bodens ist mit Plastikfolie bedeckt, das Faxgerät steht auf einem Pappkarton und der Rechner auf einem Eßtisch, denn der Schreibtisch hat es noch nicht bis ins Büro geschafft. Doch das stört Friedman nicht – sein natürlicher Aufenthaltsort ist in diesen Tagen eigentlich überall. Er schaut nach dem Rechten, teilt kurzfristig jemanden zum Kartonholen ein, dirigiert Handwerker und hört sich die Sorgen eines Bewohners an. Nein, verwechselt werden könne nichts, beruhigt er. Akribisch angebrachte neonfarbene Zettel auf Mobiliar und Umzugskisten sorgen dafür, daß sich kein Fernseher und kein Tischchen plötzlich im falschen Zimmer wiederfinden.
Der Umzug wird von den Mitarbeitern des Altenheims fast ganz allein gestemmt. Fürs Schleppen der Möbel und schweren Kisten sorgen allerdings Profis von einem Transportunternehmen.
Im Speisesaal sitzen die Bewohner, deren Habe gerade in die neuen Räume gebracht wird. Wer an diesem Tag keine familiäre Unterstützung hat, wird von zwei Marienschwestern betreut. Die evangelischen Klosterfrauen aus Darmstadt unterhalten gute Beziehungen zur jüdischen Gemeinde. Sie seien »gern gesehene Freunde des Hauses«, sagt Friedman.
»Oh, ist es soweit?« freut sich ein Herr im Rollstuhl, als der Heimleiter sich seinem Tisch nähert, und macht prompt Anstalten, loszubrausen ins neue Zuhause. »Nein, nein, es dauert noch ein bißchen«, bremst ihn eine der Betreuerinnen. Nun gut, bleibt er noch ein wenig und unterhält sich weiter mit den Marienschwestern. »Echte Goldstücke« seien sie, lobt sie der Mann und nimmt noch einen Schluck Kaffee. Vor lauter Aufregung, da ist er sich sicher, wird er heute nacht sowieso erst ganz spät einschlafen können.
Aber dauert die aufregende Eingewöhnungsphase nicht viel länger als nur einen Abend? Leo Friedman glaubt, daß die Senioren sehr rasch heimisch werden. Das belegten Umzugserfahrungen anderer Heime.
Vor Friedmans Bürotür steht ein Handwerker im Blaumann und verputzt noch rasch ein Stückchen Wand. Eine Leitung habe gefehlt, sagt er. Aber das sei rasch behoben worden. Nun mache er alles schnell »wieder schön – so was passiert eben, die perfekte Baustelle gibt es nirgends«.

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