Mit Humor bis 120
In Frankfurt am Main feiert Eva Cohn ihren
hundertsten Geburtstag
von Doris Adler
Sie trägt modische bunte Kleidung und ist leicht geschminkt. Man kann die alte Dame einfach nur bewundern, mit welchem Temperament und geistiger Frische sie Anteil nimmt an allem, was um sie herum passiert. Eva Cohn, geborene Magnus, wurde am 9. Juli 1906 in Berlin geboren, in Frankfurt am Main feiert sie nun ihren hundertsten Geburtstag.
Manchmal schaut sie im Gespräch mit Wehmut auf die durch Schicksalsschläge geprägte Vergangenheit zurück, um dann in der nächsten Minute zu einem Energiebündel zu werden, voller Humor und Witz.
Die Familie Magnus war seit 1740 in Berlin ansässig. Der Großvater, Eduard Magnus, besaß eine große Konditorei und war Hoflieferant Kaiser Wilhelms I. Eva Cohn besucht ein Lyzeum für höhere Töchter und legt dort das sogenannte Mädchenabitur ab. Die Schule war bekannt für ihre Toleranz. Sie nahm Mädchen aus der ganzen Welt auf, unabhängig von ihrer Herkunft.
Schon als kleines Kind nimmt Eva Klavier-, Ballett- und Malstunden. Nach dem Abitur besucht sie die Berliner Akademie für Künste und studiert Dekorative Malerei. Zusatzausbildungen auf der Kunstgewerbe- und Webschule folgen. Dann arbeitet sie als Coloristin. 1933 wird ihr gekündigt, denn die Firma, bei der sie angestellt ist, wird »arisiert«.
Evas Mann, sie hatte in der Zwischenzeit geheiratet, verliert ebenfalls seinen Job als Ingenieur, da er als Jude von der Reichsbahn keine Aufträge mehr erhält. 1933 im Frühjahr wandert das Ehepaar nach Frankreich aus, in der Hoffnung, in Paris Arbeit zu finden. Doch vergebens. Sie versuchen es in Kairo, auch hier ohne Erfolg. Palästina ist vorerst die letzte Station ihrer Flucht. Dort leben sie 24 Jahre. Beide arbeiten hart, Eva Cohn nimmt jede Arbeit an, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
In Israel werden dem Paar zwei Söhne geboren: Thomas und Gabriel. Gabriel, der jüngere, stirbt früh bei einem unverschuldeten Motorradunfall. Seinen Tod überwindet Eva Cohn nie. Doch Thomas ist ihr eine große Hilfe und stets an ihrer Seite.
1957 kehrt Familie Cohn nach Berlin zurück, wo sie bis zum Bau der Mauer lebt. Nichts hält sie nach dem 13. August 1961 mehr in der geteilten Stadt. Viele Angehörige wurden in Auschwitz und Theresienstadt ermordet. Eva Cohns Eltern kamen 1942 in Riga um.
Schon in Berlin sind Eva Cohn und ihr Mann aktiv an der Gründung der B’nai-B’rith-Loge beteiligt. In Frankfurt leitet Martin Cohn als Präsident die Loge. Er stirbt 1996. Eva Cohn schreibt Artikel über die Gemeindeaktivitäten und verfaßt Gedichte. Daß sie heute wegen ihrer schlechten Augen nicht mehr schreiben kann, belastet Eva Cohn.
Doch ihre Stärke, ihr Lebenswille, Humor, Berliner Charme, die Hilfsbereitschaft, die Offenheit verhelfen ihr zu vielen guten Freunden. Ihre Gastfreundschaft ist bekannt. Und trotz des Leids der vielen Jahre ist ihr das Leben sehr lebenswert. Die Gemeinde und ihre Freunde jedenfalls hoffen noch auf viele gemeinsame Stunden, in denen sie ihre Fragen stellt, damit sie immer über das informiert bleibt, was um sie herum passiert. Und wenn sie ihre Witze erzählt, wird einem klar, daß Alter völlig unwichtig ist. Hundert Jahre? Einfach unmöglich. Masal Tov bis 120!