von Miryam Gümbel
Von Hoffnungen sprach Josef Schuster, der Präsident des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern bei der Gedenkstunde an der jüdischen Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Dachau. Von Hoffnungen, die erfüllt wurden, von Hoffnungen, die zerstört wurden, und von Hoffnungen, die Aufgabe und Verpflichtung sind für die Zukunft.
Aus Anlaß des 61. Jahrestages der Befreiung hatten sich am Sonntag vergangener Woche viele Mitglieder der jüdischen Gemeinden zur alljährlichen Veranstaltung des Landesverbandes versammelt. Unter ihnen waren auch viele Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Dank der Zuwanderung, so Schuster, konnten die Gemeinden hier wieder Hoffnung schöpfen auf ihr Fortbestehen und Wachsen, auch wenn es noch großer Anstrengungen bedürfe, die Zuwanderer zu integrieren.
Zur großen Bestürzung der Anwesenden teilte Josef Schuster mit, daß Zentralratspräsident Paul Spiegel sel. A. in den Morgenstunden gestorben sei. Er habe sein Lebenswerk der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland gewidmet. Diese habe mit ihm eine seiner herausragenden Persönlichkeiten verloren.
Für die Generation der Überlebenden der Schoa sei die Befreiung Dachaus »der Wiederbeginn des Lebens gewesen«, so Zeitzeuge Otto Schwerdt, der Vorsitzende des Landesausschusses des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern. Die Mißhandlungen der Seele, die die Überlebenden erlitten haben, würden nie ganz verheilen, so Schwerdt. Dachau habe als »Übungsplatz für die KZs« eine ganz besondere Rolle gespielt.
Mit Blick auf Gegenwart und Zukunft mahnte Schwerdt Hellhörigkeit in der Gesellschaft an: »Kann man die Verbrechen je vergessen oder verharmlosen?«, fragte er. Als positives Signal bezeichnete er die Einschaltung der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Übergriff auf einen afrikanischen Deutschen in Potsdam. Im Zusammenhang mit dem möglichen Deutschland-Besuch des iranischen Staatspräsidenten zur Fußballweltmeisterschaft verwies Schwerdt darauf, daß es hierzulande Gesetze gebe gegen Menschen, die den Holocaust leugnen.
Im Anschluß an die Gedenkstunde fand die allgemeine Feier mit Kranzniederlegung am ehemaligen Appellplatz des Lagers statt. Als neuer Präsident des Internationalen Dachau-Komitees sprach Pieter Dietz de Loos, Sohn eines ehemaligen Dachau-Häftlings. Er mahnte eine ausreichende und hochqualifizierte personelle Ausstattung der Gedenkstätte an. Sein Vorred- ner, Kultusminister Siegfried Schneider, hatte bereits unterstrichen, daß der Haushalt für die Gedenkstätten nicht von Kürzungen und Sparplänen betroffen sei.
In nächster Nähe zum ehemaligen Konzentrationslager erinnerte Max Mannheimer am ehemaligen SS-Schießplatz Hebertshausen an die dort ermordeten mehr als 4.000 sowjetischen Kriegsgefangenen: »Entgegen allem internationalen Kriegsrecht gaben sich die SS und die Wehrmacht mit dem sogenannten Kommissarbefehl den Freibrief, jüdische Menschen und Menschen, die sie verdächtigten, aktive Kommunisten zu sein, zu ermorden.« Die Namen der hier Ermordeten »fanden nicht einmal mehr Eingang in die sonst meist so akribischen Auflistungen der Dachauer KZ-Bürokratie«.