von Ronen Guttman
»Am Israel Chai«, schallt es laut über die Straße, der Verkehr auf der Ringstraße um die Dortmunder Innenstadt erliegt völlig. »Dies ist die erste Tora, die nach dem Holocaust in dieser Stadt eingeweiht wird«, freut sich Rabbiner Avichai Apel. Der Umzug mit der neuen Torarolle unter dem blauen Baldachin führt vom Platz der ehemaligen Synagoge zum Gemeindezentrum in der Prinz-Friedrich-Karl-Straße, wo heute das jüdische Herz der Stadt pocht.
15.000 Dollar kostete das Prunkstück. Das Geld brachten zahllose Spender auf. »Von der Gemeinde für die Gemeinde«, sagt der Rabbiner. Singend und tanzend ziehen nun die Menschen durch die Dortmunder Innenstadt und die im bunt bestickten Mantel eingehüllte Tora wechselt vielfach den Träger.
Die Feier hat früh begonnen. Dennoch sind Hunderte Menschen zusammengekommen. »Dies ist die Tora, die Moses am Berg Sinai erhielt und seitdem von Generation zu Generation weitergegeben wird«, erklärt der junge Rabbiner. »Nur weil die Tora unverändert und vollständig blieb, konnte das Judentum die Zeit überstehen.« Begleitet von Klesmermusik übernimmt Apel wieder die Tora und schreitet auf den Baldachin zu. Die Menschen klatschen und beginnen zu singen. Sie feiern ein freudiges Ereignis. Den Schock haben sie längst überwunden, als vor einem Jahr israelische Spezialisten feststellten, dass sämtliche Torarollen in Dortmund untauglich seien. Alter und Luftfeuchtigkeit hatten den Vorkriegsrollen zugesetzt und Buchstaben, ja ganze Worte teilweise unlesbar werden lassen.
Jetzt feiert die Dortmunder Gemeinde die Einbringung der neuen Tora und die Jewrovision. Das Musikfestival bringt seit Jahren junge Juden zusammen, wie Zwi Rappoport betont. Hunderte von Jugendliche singen und tanzen um die Tora. »Einen solchen Umzug haben die meisten von ihnen noch nie erlebt – auch wir Älteren nicht«, erklärt das Vorstandsmitglied der gastgebenden Gemeinde. »Das stärkt Identität, ein Höhepunkt für uns alle.« »Am Israel Chai – Das Volk Israel lebt.«