von Daniela Breitbart
Bis vor zwei Wochen wussten die Wenigsten, dass es einen Ort namens Mügeln überhaupt gibt. Inzwischen hat die sächsische Kleinstadt traurige Berühmtheit erlangt durch einen Vorfall, dessen Hergang immer noch nicht restlos aufgeklärt ist: Bei einem Stadtfest wurden nach einer Prügelei acht Inder von einer Gruppe von etwa 50 Jugendlichen durch die Straßen gehetzt, bevor sie sich vor den ausländerfeindlichen Sprechchören und Gewaltdrohungen in die nahegelegene Pizzeria eines Landsmannes flüchten konnten. 14 Menschen wurden verletzt, darunter alle Inder und zwei Polizisten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Landfriedensbruchs, mehrere Verdächtige hat sie bereits befragt. Für Zeugen wurde eine besondere Anlaufstelle eingerichtet, die aber kaum aufgesucht wird. Inzwischen ist Mügeln längst zum Politikum geworden – der Funke, der die Diskussion neu entfacht hat, wie Rechtsextremismus bekämpft und welche Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten und potenziellen Opfern rechtsextremer Gewalt ergriffen werden sollen.
Ganz oben auf der Liste steht ein Verbot der NPD. Dessen eifrigster Verfechter, der SPD-Vorsitzende Kurt Beck, wird unterstützt vom Berliner Innensenator Ehrhart Körting und dem Vorsitzenden des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy. Dem ist die Parteienfinanzierung ein besonderer Dorn im Auge: Man könne es der Öffentlichkeit nicht erklären, weshalb der Staat eine Partei unterstütze, die die Demokratie abschaffen wolle.
Doch Parteiverbot hin oder her – die juristische Sanktion kann nur den organisierten Rechtsextremismus treffen. Das Beispiel von Mügeln zeigt aber, dass Rassismus und Fremdenhass in vielen Gegenden alltäglich geworden sind. Eine Alltäglichkeit, die nur mit politischen Mitteln bekämpft werden kann. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich der sächsische Landkreis Torgau-Oschatz, in dem die Kleinstadt Mügeln liegt, bislang vergeblich um Geld für den Kampf gegen Rechtsextremismus bemüht hat – eine Lücke, die das Familienministerium nun stopfen möchte. Gerade im Osten sei die Fremdenfeindlichkeit wegen der hohen Arbeitslosigkeit, fehlenden Jugendarbeit und einer nicht entwickelten zivilgesellschaftlichen Tradition besonders hoch, betont Bundesfamilienministerin von der Leyen. Ihr »Aktionsprogramm für Demokratie und Toleranz« unterstützt bundesweit Initiativen und Projekte gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Doch bedeutet mehr Geld automatisch mehr Erfolg? CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sieht es anders: »Wir brauchen nicht mehr Geld, wir brauchen mehr Zivilcourage.« Auch Vize-Regierungssprecher Thomas Steg mahnte die »Verpflichtung der gesamten Gesellschaft, einer Dorfgemeinschaft, einer Stadtgesellschaft« an, »in den eigenen Grenzen solche Vorgänge nicht zuzulassen«.
Der Zentralrat der Juden fordert politische Konsequenzen. Es müssten alle Mittel für den Kampf gegen Rechtsextremismus ausgeschöpft werden, verlangte Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch. Generalsekretär Stephan Kramer fand noch deutlichere Worte. Er warf der Politik »Versagen im Kampf gegen Rechts« vor und forderte, die Debatte um No-Go-Areas für Ausländer in Ostdeutschland wieder aufzunehmen. »Gestern Farbige, heute Ausländer, morgen Schwule und Lesben oder vielleicht Juden.« Migranten sollten gewarnt werden, sich in bestimmten ostdeutschen Landstrichen und Städten niederzulassen, so Kramer. Sollte es tatsächlich zu einer solchen »schwarzen Liste« kommen, dürfte Mügeln wohl ziemlich weit oben stehen.