von Wladimir Struminski
Manchmal passieren im Leben Dinge, die man nicht gerade herbeigesehnt hat, mit denen man nach ihrem Eintreten jedoch fertig werden muss. Aus israelischer Sicht gilt das auch für Barack Obamas Sieg bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Nach Bekanntwerden der Ergebnisse reihten sich zwar Israels Spitzenpolitiker artig unter die Gratulanten ein. Zugleich suchen sie aber bei Obama nach Anzeichen von Sympathie für ihr Land. So wurde die Ernennung des Kongressabgeordneten Rahm Emanuel zum Stabschef des Weißen Hauses wohlwollend registriert. Schließlich ist Emanuel Sohn eines israelischen Kinderarztes und hat freiwillig einen kurzen Wehrdienst in der Zahal geleistet.
Auf politischer Ebene jedoch hat sich an dem Obama entgegengebrachten Misstrauen wenig geändert. Die vor der US-Wahl deutlich gewordenen Ängste, der künftige Präsident werde seine Sympathie für die Underdogs dieser Welt auch auf Israels Feinde übertragen, sind durch Obamas Sieg akuter geworden.
Vor allem zwei Fragen stellen sich: Wie viel Druck wird Washington auf den jüdischen Staat ausüben, um einen Nahostfrieden durchzusetzen? Und: Wie entschlossen wird der neue Präsident versuchen, den Iran am Besitz von Atomwaffen zu hindern? Außenministerin Zipi Livni dozierte denn auch öffentlich: »Wir leben in einer Region, in der ein Dialog, der Sanktionen folgt, als Schwäche ausgelegt werden kann.« Deshalb sage Israel »Nein« zu einem Zwiegespräch zwischen den USA und dem Iran. Genau das aber hatte Obama im Wahlkampf in Aussicht gestellt.
Der Nahostexperte und ehemalige israelische Botschafter in Washington, Itamar Rabinovich, hält es für möglich, dass die Regierung Obama ein Junktim zwischen der Iranfrage und dem israelisch-arabischen Friedensprozess herstellt: Wenn Israel amerikanische Hilfe im Verhältnis zum Iran wolle, so müsse es seinerseits Amerikas Außenpolitik durch mehr friedenspolitische Zugeständnisse stützen. In diesem Falle sähe sich Israel einem großen Dilemma gegenüber. Das künftige Verhältnis zwischen Washington und Jerusalem wird aber auch vom Ausgang der Knessetwahlen im Februar abhängen (vgl. S. 4). Likudchef Benjamin Netanjahu kündigte bereits an, er wolle die israelischen Siedlungen im Westjordanland ausbauen und den Palästinensern generell weniger entgegenkommen als es die heutige Regierung tut.
Eine solche Haltung ist für jeden neuen US-Präsidenten eine Herausforderung. So könnte ein Duo Obama-Netanjahu bedeuten, dass die Beziehungen der beiden Staaten einen Tiefpunkt erreichen, wie man ihn zuletzt Anfang der 90er-Jahre mit George Bush senior und Jitzchak Schamir in den Hauptrollen erlebt hat. Dagegen dürfte eine Regierung Livni zumindest beim Friedensprozess besseres Einvernehmen mit den USA erzielen. Genau mit diesem Argument wollen Livnis Strategen im Knessetwahlkampf für Kadima Werbung machen.