Teddy Kollek

Meister-Bürger

von Ralph Giordano

Erste persönliche Begegnung Anfang der 80er Jahre, als ihm der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels überreicht wurde. Teddy Kollek hatte mir seine Autobiografie, ich ihm meine Familien-Saga Die Bertinis nach Jerusalem geschickt. Jetzt, zehn Jahre später, warte ich im oberen Stockwerk des Jerusalemer Rathauses gegenüber der alten Stadtmauer und kann mich in seinem Zimmer ein bisschen umtun. Der berühmte Bürgermeister verspätet sich (es heißt: wie üblich). Ich sehe mich regelrecht umzingelt von den Insignien seiner Prominenz: vielerlei Glocken, dem Bürgermeister von Jerusalem gewidmete Teller, Gemälde, Vitrinen, Plaketten, Münzen, auch eine Miniatur des Kölner Doms. Am eindrucksvollsten jedoch in diesem Antichambre: ein alter, offenbar nie benutzter Garderobenständer.
Teddy kommt, und innerhalb von fünf Minuten habe ich wichtige aktuelle Statistika erhalten: dass es in der Stadt 103 Gruppen von Juden gibt, die in 93 Sprachen reden. Dass 70 Prozent von ihnen aus orientalischen Ländern stammen, von Marokko bis Afghanistan. Und dass sie von Israel bisher nichts gekannt, Jerusalem aber stets in ihre Gebete eingeschlossen hatten. Da sitzt er vor mir und betrachtet mich mit neugierigen Augen. Er wirkt unambitiös, eher unauffällig. Doch wo er auftritt, ist es eine Sondersperson, und das ohne eigenes Zutun. Es ist das Verhalten der anderen, ihr Respekt, ihr Abstand, die die Aura schaffen.
Ich habe keine Lust, ihm Fragen zu stellen, auf die er schon tausendmal geantwortet hat, sondern danke ihm dafür, dass er mir im Gästehaus der Stadt, Mishkenot Scha’ananim, Quartier beschafft hat. »Wohnen Sie da nicht schön?« fragt er. »O ja, o ja!« antworte ich und beginne zu schwärmen: Suleimans Mauer, prächtig restauriert, ehern, mit Zinnen und Türmen, ein Ausschnitt wie aus einem Gemälde; das Jaffa-Tor, die David-Zitadelle, diese ganze, von der Abendsonne goldbeschienene Altstadt Jerusalems: »Ein Anblick, an den ich mich nie gewöhnen werde.« Was ich ihm unterschlage, so sichtlich berührt, wie er von meiner Schwärmerei ist: dass ich die Nächte in Mishkenot Scha’ananim nur mit Ohrenpfropfen überlebe – führt doch direkt an dem lieblich in Grün eingebetteten Gästehaus die tosende Hebronstraße hoch in das Herz von West- und Ostjerusalem.
Auf dem Schreibtisch, vor ihm, steht ein Schild mit der Aufschrift: »A cluttered desk is a sign of genius« (Ein unaufgeräumter Tisch ist ein Zeichen von Genie«). Ja, so ist es, und Du warst eines davon.
So oft wir uns auch gesprochen und geschrieben haben, ich habe diese Stunden, in denen ich Dich ganz allein hatte, nie vergessen. Und erst recht nicht Deinen Satz beim Abschied, der wohl bis zuletzt galt: »Immer, wenn ich Kinder sehe, muss ich an die umgekommenen jüdischen Kinder denken.«
Es ist auch mein Reflex, Teddy – so lang ich leben werde.

Hamburg

Zehn Monate auf Bewährung nach mutmaßlich antisemitischem Angriff

Die 27-Jährige hatte ein Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft nach einer Vorlesung über antijüdische Gewalt attackiert

 28.04.2025

Fernsehen

Mit KI besser ermitteln?

Künstliche Intelligenz tut in Sekundenschnelle, wofür wir Menschen Stunden und Tage brauchen. Auch Ermittlungsarbeit bei der Polizei kann die KI. Aber will man das?

von Christiane Bosch  21.04.2025

Reaktionen

Europäische Rabbiner: Papst Franziskus engagierte sich für Frieden in der Welt

Rabbiner Pinchas Goldschmidt, der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner, würdigt das verstorbene Oberhaupt der katholischen Kirche

 21.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Indischer Ozean

Malediven will Israelis die Einreise verbieten

Es ist nicht die erste Ankündigung dieser Art: Urlauber aus Israel sollen das Urlaubsparadies nicht mehr besuchen dürfen. Das muslimische Land will damit Solidarität mit den Palästinensern zeigen.

 16.04.2025

Essen

Was gehört auf den Sederteller?

Sechs Dinge, die am Pessachabend auf dem Tisch nicht fehlen dürfen

 11.04.2025

Spenden

Mazze als Mizwa

Mitarbeiter vom Zentralratsprojekt »Mitzvah Day« übergaben Gesäuertes an die Berliner Tafel

von Katrin Richter  10.04.2025

Jerusalem

Oberstes Gericht berät über Entlassung des Schin-Bet-Chefs

Die Entlassung von Ronen Bar löste Massenproteste in Israel aus. Ministerpräsident Netanjahu sprach von einem »Mangel an Vertrauen«

 08.04.2025

Würdigung

Steinmeier gratuliert Ex-Botschafter Primor zum 90. Geburtstag

Er wurde vielfach ausgezeichnet und für seine Verdienste geehrt. Zu seinem 90. Geburtstag würdigt Bundespräsident Steinmeier Israels früheren Botschafter Avi Primor - und nennt ihn einen Vorreiter

von Birgit Wilke  07.04.2025