Der Brooklyn Holocaust Memorial Park liegt zwischen der Emmons Avenue und dem Shore Boulevard im Stadtteil Sheepshead Bay des New Yorker Bezirks. Auf 234 Granitsteinen stehen hier die Namen von Toten – ermordet in den Lagern Chelmno und Majdanek, im Ghetto von Odessa, in der Schlucht von Babi Jar. Es sind jüdische Tote, derer hier gedacht wird. Ausschließlich jüdische Tote.
So soll es auch bleiben, fordert eine Bürgerinitiative aus dem von vielen Chassidim bewohnten Viertel. Sie protestieren gegen einen Plan von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg, fünf neue Granitsteine aufzustellen, auf denen der anderen Opfer der Nazis gedacht werden soll – Homosexuelle, Zigeuner, Behinderte, Zeugen Jehovas, politische Gefangene. Denn, so der (jüdische) Bürgermeister: »Es waren nicht nur Juden, die massakriert wurden.«
Vor allem dieser Satz hat die Bürgerinitiative auf die Barrikaden gebracht. »Der Holocaust ist ein allein jüdisches Ereignis«, erklärte der Stadtverordnete Dov Hikind, der die Proteste anführt. Der städtische Plan produziere eine Art Opferäquivalenz, die historisch falsch sei. »Die systematische Vernichtung, die Endlösung, war gegen das jüdische Volk gerichtet, gegen sonst niemanden«, sagt Hikind, selbst Sohn von Schoa-Überlebenden. Mit dem Aufstellen von Gedenksteinen für andere Opfergruppen solle nur bestimmten Wählern – vor allem der starken schwul-lesbischen Lobby – entgegengekommen werden.
Die Anhänger des Erweiterungsplans wiederum empfinden die Proteste Hikinds und seiner Mitstreiter als »eine Art Diskriminierung«, so eine ihrer Sprecherinnen. Sie können für diesen Standpunkt sachverständige Unterstützer ins Feld führen. Michael Berenbaum zum Beispiel. Der Gründungsdirektor des Holocaust Memorial Museums in Washington D.C. wirft Hikind vor, »20 Jahre hinter der Debatte herzuhinken«. Die Frage sei heute, wie man die nichtjüdischen Opfer der NS-Vernichtung in die Geschichte der Schoa integriere. So handhabten es inzwischen nicht nur das Washingtoner Holocaustmuseum, sondern zahlreiche andere Erinnerungsstätten, nicht zuletzt Yad Vashem.
Der Brooklyner Gedenkparkstreit mag wie eine Lokalposse anmuten. Doch im Kleinen wird hier eine große erinnerungspolitische Debatte durchexerziert. Es geht dabei weniger um historischen Tatsachenstreit. Dass im Zentrum der nationalsozia-listischen Ideologie der »Kampf gegen das Weltjudentum« stand und dass Juden deshalb das primäre Objekt der deutschen Vernichtungsindustrie waren, ist unumstritten. Natürlich wurden auch andere Gruppen ermordet – aber nicht fabrikmäßig und millionenfach. Die Frage aber, die nicht erst seit jetzt und nicht bloß in Brooklyn heftig diskutiert wird, ist, ob das Gedenken an die Opfer ausgerechnet der Mordhierarchie der Täter folgen soll. Sprich, sind andere Tote – Homosexuelle, Zigeuner, Behinderte, Zeugen Jehovas, politische Gefangene – weniger »wert«? Im Raum steht auch die geschichtsphilosophische Problematik, ob die Vernichtung der europäischen Juden ein universal relevantes Menschheitsverbrechen war oder letzt-endlich vor allem eine jüdische Tragödie.
In Brooklyn deutet sich derweil ein möglicher Kompromiss an. Dov Hikind hat Bürgermeister Bloomberg vorgeschlagen, die Gedenkstätte umzubenennen. Mit »Erinnerungspark für die Opfer der Nazis« könne er leben. Michael Wuliger
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