Schweden

Mein Name sei Börje Larsson

von Baruch Rabinowitz

Awraham ist froh, zwei Namen zu haben. Er heißt auch Börje. Sein zweiter, typisch schwedischer Name bringt ihm zur Zeit mehr Freude als sein jüdischer. Der ist ihm neuerdings eine Last. Genauso wie sein Familienname: Moskowitz. Am besten sollte davon überhaupt keiner erfahren. Wenn er einen Tisch im Restaurant bestellen möchte, sich für eine neue Wohnung interessiert oder eine Behörde wegen einer Auskunft anruft, stellt er sich als Larsson, Johansson oder Svensson vor.
Awraham Moskowitz ist 55 Jahre alt. So wie er müssen auch seine Kinder und Enkelkinder mit ihrem Jüdischsein vorsichtig umgehen. »Wir tragen keine jüdischen Symbole oder Schmuck auf der Straße. Ich habe sogar gehört, daß unser Rabbiner in seiner Predigt die Gemeinde einmal davor gewarnt hat, sich in der Öffentlichkeit mit Kippa zu zeigen«, sagt Moskowitz. Seine zwölfjährige Enkelin Anna Leah geht auf die jüdische Schule und muß täglich mit der U-Bahn fahren. In Skandinavien es ist nicht ungewöhnlich, daß sich Menschen auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln ansprechen. »Falls dich jemand fragt, erzähl nie, daß du auf eine jüdische Schule gehst. Sag, daß du auf eine private gehst«, warnen die Eltern.
Auch dem 45jährigen Geschäftsmann Joel Binder aus New York geht es nicht anders. Seit 20 Jahren lebt er in Stockholm, zur Zeit arbeitet er für einen Verlag. »Als Mitarbeiter erfuhren, daß ich Jude bin, haben sie ihre Einstellung mir gegenüber sehr geändert. Nicht, daß sie unfreundlich zu mir geworden sind, aber eine gewisse Kälte ist zwischen uns entstanden. Ich bin schon so lange hier und habe kein Lust, in einem anderen Land nochmal von vorne anzufangen. Aber wenn ich gewußt hätte, was mich in Schweden erwartet, wäre ich nie hierher gekommen«, sagte er.
200 Jahre lang ist das nördliche Königreich ein Asylland für Juden gewesen. Unter die schützende Krone flohen jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Dänemark und Polen. Das Land bot gute ökonomische Möglichkeiten, ist neutral und ruhig. In Schweden, so wie in den anderen skandinavischen Ländern, ist die jüdische Gemeinde sehr gut integriert. Trotz ihrer geringen Zahl hat sie viel zur Entwicklung des Landes beigetragen. Aber vor ungefähr zehn Jahren fing das Leben der schwedischen Juden an, sich zu verändern.
Eine offene pro-palästinensische und damit anti-israelische Politik hat dazu geführt, daß man sich in Schweden mit der jüdischen Minderheit (0,002 Prozent der Bevölkerung) auseinandersetzt. »Es reicht, die führenden schwedischen Zeitungen oder auch schon den Teletext schwedischer Fernsehsender zu lesen«, sagt Awraham Moskowitz. Anti-israelische und anti-jüdische Tendenzen seien offensichtlich.
Moskowitz’ Gefühl läßt sich inzwischen auch in Zahlen ausdrücken. Die schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter hat am 14. März das Ergebnis einer Studie veröffentlicht, nach der 41 Prozent der Schweden eine negative Einstellung gegenüber Juden haben. Diese Studie hat der schwedische Historiker und Journalist Henrik Bachner veranlaßt und durchgeführt. 5.000 Menschen zwischen 16 und 75 wurden befragt. Trotz eines sehr hohen Durchschnitts von anti-semitischen Äußerungen sieht Bachner keinen Grund zur Panik. »In der Tat haben nur fünf Prozent die Fragen konsequent antijüdisch beantwortet«, sagt Bachner im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Obwohl ich keinen Grund zur Panik sehe, betrachte ich das Ergebnis als beunruhigend«, sagt Henrik Bachner. »Die Umfrage gibt uns gewisse Vorstellungen davon, wohin Schweden sich entwickelt.«
Menschen zwischen 16 und 20 Jahren zeigen demnach am wenigsten Vorurteile, Menschen zwischen 60 und 75 Jahren tendieren am meisten zu Antisemitismus. Fast 15 Prozent der Schweden denken, daß Israel am Terrorakt vom 11. September in New York beteiligt gewesen sei. Sieben Prozent glauben, daß die Juden die Schoa aus politischen und ökonomischen Gründen selbst verursacht haben.
Der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Stockholm, Thomas Bab, sieht in dem Ergebnis vor allem einen großen Mangel an Wissen. Nur neun Prozent der Schweden wüßten, daß nur 20.000 Juden im Land leben. 16 Prozent meinen, es gäbe zwischen 50.000 und 100.000, und 12 Prozent sind überzeugt, daß es mehr als 200.000 sind. »Wir werden Gespräche mit Premierminister Göran Persson führen und die Möglichkeiten für Aufklärungsarbeit besprechen. Wir sind beunruhigt. Unseren Alltag ändert dies aber nicht.«
Das Ergebnis der Umfrage ist für viele Juden in Schweden ein Schock. Auch die demographische Entwicklung macht manche nachdenklich. Seit einigen Jahren ist der Islam zur zweitgrößten Religionsgemeinschaft geworden. Heute stehen vor jüdischen Einrichtungen Wachleute. Noch vor zehn Jahren konnte man die Synagoge betreten, ohne sich ausweisen zu müssen.

So reagiert die EU auf die Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant

 21.11.2024

USA: »Wir lehnen die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs für die Situation grundsätzlich ab«

 21.11.2024

Niederlande: Wir würden Netanjahu festnehmen

 21.11.2024

Haftbefehl gegen Netanjahu: Kanada will Gericht folgen

 21.11.2024

Berlin

Scholz soll am Montag als Kanzlerkandidat nominiert werden

Nach dem Verzicht von Verteidigungsminister Boris Pistorius soll Bundeskanzler Olaf Scholz am kommenden Montag vom SPD-Vorstand als Kanzlerkandidat für die Neuwahl des Bundestags nominiert werden

von Michael Fischer  21.11.2024

New York

USA blockieren Gaza-Resolution, Israel bedankt sich

Israels UN-Botschafter Danon: »Resolution war Wegbeschreibung zu mehr Terror und mehr Leid«

 21.11.2024

Uni Würzburg

Außergewöhnlicher Beitrag

Die Hochschule hat dem Zentralratspräsidenten die Ehrendoktorwürde verliehen

von Michel Mayr  20.11.2024

Hannover

Biller und Gneuß erhalten Niedersächsischen Literaturpreis

Der Nicolas-Born-Preis wird seit dem Jahr 2000 zu Ehren des Schriftstellers Nicolas Born (1937-1979) verliehen

 20.11.2024

Medien

Ausweitung der Kampfzone

Die israelfeindlichen Täter haben die »NZZ« ganz bewusst zum Abschuss freigegeben. Ein Kommentar

von Nicole Dreyfus  19.11.2024