Die Psychoanalytikerin Maya Lasker-Wallfisch (66) hält die deutsche Gesellschaft für traumatisiert von der NS-Zeit. Auf die Frage, woran sie das festmache, sagte Lasker-Wallfisch der »Süddeutschen Zeitung«: »An einer bestimmten unbewussten Voreingenommenheit gegenüber dem Anderen, an einem versteckten Antisemitismus. Und daran, dass man sich durchaus mit den Gräueln der Naziherrschaft auseinandersetzt, aber nicht so gerne mit der Rolle der eigenen Familie während dieser Zeit. Was, wenn mein ach so liebender Großvater ein Täter gewesen ist? Das will man lieber nicht so genau wissen.«
»Ich habe mich als Jüdin nie bedroht gefühlt in Berlin. Das ist nun anders.«
Zum Thema Rechtspopulismus ergänzte Lasker-Wallfisch: »Ich habe mich als Jüdin nie bedroht gefühlt in Berlin. Das ist nun anders. Mein Großvater irrte sich in den 30er-Jahren, weil er sich nicht vorstellen konnte, dass die Deutschen so grausam werden könnten, wie sie es dann wurden. Vielleicht irren wir uns wieder, wenn wir denken: So etwas wird nie wieder passieren. Ich weiß es nicht.« Es sei, wie ihre Mutter mal gesagt habe: »Erwarte das Beste, aber sei auf das Schlimmste vorbereitet.«
Wenn sie heute durch Berlin gehe, verstecke sie den Davidstern an ihrer Halskette, sagt Lasker-Wallfisch. »Niemand soll ihn sehen. Dabei bedeutet er mir viel.«
Sie fügte hinzu, sie denke manchmal daran, Berlin zu verlassen und in ihre englische Heimat, nach London, zurückzugehen. »Ich habe mir dort vor Kurzem wieder eine Wohnung gekauft.«
Maya Lasker-Wallfisch ist die Tochter des Pianisten Peter Wallfisch (1924–1993) und der Cellistin Anita Lasker-Wallfisch (99), die das KZ Auschwitz als Mitglied des dortigen Frauenorchesters überlebte. KNA