East Side Gallery

Mauerstreit

von Alice Lanzke

Einst gehörte sie zum Bauwerk, das Berlin in zwei Hälften teilte, nun spaltet sie in zwei kontrovers diskutierende Seiten: die East-Side-Gallery in Friedrichshain-Kreuz-
berg. Hier, am längsten erhaltenen Mau-
erstück Berlins, wollte Fotograf Kai Wie-
denhöfer ursprünglich 30 großformatige Bilder der israelisch-palästinensischen Grenzanlagen anbringen, es sind preisgekrönte Fotos aus seinem Bildband »Wall«.
»Wall on Wall« nennt der Künstler sein Projekt, mit dem die East-Side-Gallery bis zu ihrer Sanierung im Frühjahr genutzt werden sollte. »Mauer auf Mauer«– dieses Konzept stieß auf breite Kritik. Die Vorwürfe: Sensationshascherei, Einseitigkeit und Gleichsetzung der beiden Bauwerke. »Die DDR-Mauer richtete sich gegen die eigene Bevölkerung, in Israel schützt sich eine demokratisch gewählte Regierung gegen Angriffe von außen, das kann man nicht vergleichen«, erklärt Rainer Klemke von der Abteilung für kulturelle Angelegenheiten bei der Senatskanzlei. Noch dazu sei eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema an der East-Side-Gallery gar nicht möglich: »Er will diese Mauer haben, an der Touristenbusse halten und schnell Bilder geknipst werden. Das kommt für uns nicht in Frage.« Die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus kritisiert, Wiedenhöfers Bilder seien einseitig, er sympathisiere hauptsächlich mit der palästinensischen Seite.
Der Fotograf selbst kann die Aufregung nicht verstehen. »Es geht mir nicht um Gleichsetzung, sondern darum, dass Mau-
ern grundsätzlich keine Lösung sind«, be-
tont Wiedenhöfer, der zwischen 2003 und 2006 sechs Mal nach Israel und in die palästinensischen Gebiete gereist ist, um den Grenzwall zu fotografieren. Für diese Arbeit erhielt er 2004 den World Press Photo Award. Auch jetzt loben etwa die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst und die Künstlerinitiative der East-Side-Gallery die Qualität der Bilder und befürworten das Projekt.
Bei der Standortwahl habe sich Wie-
denhöfer für die East-Side-Gallery entschieden, um die Bilder aus dem Musealen herauszuholen: »Ich will nicht nur die Menschen erreichen, die sich ohnehin mit dem Nahostkonflikt beschäftigen«, sagt er. Zudem seien Begleitveranstaltungen und Informationstafeln geplant.
In mehreren Ausschusssitzungen des Bezirks hat er versucht, sein Projekt zu verteidigen, aber diese Treffen seien »we-
nig fruchtbar« gewesen, so Wiedenhöfer resigniert. »Ein Ausschussmitglied sagte mir, die Fotos seien für ihn antisemitisch. Da fiel mir dann nichts mehr ein«, erinnert sich der Künstler immer noch fassungslos. Obwohl er die Kritik nicht nachvollziehen kann, hat er sein Konzept nun verändert: Bilder von den Mauern zwischen den USA und Mexiko sowie aus Belfast sollen das ursprüngliche Projekt ergänzen. Doch auch in der erweiterten Form erntet das Projekt Kritik: »Es wird dadurch nicht besser, sondern beliebiger«, erklärt Rainer Klemke.
Das zuständige Bezirksamt tut sich mit einer Entscheidung schwer. »Wir hatten vorgeschlagen, auch andere Mauerbezüge vorzustellen, und das wurde umgesetzt«, sagt Kulturstadträtin Sigrid Klebba. Ob das neue Konzept aber tragfähig sei, könne sie noch nicht sagen. Viel Zeit bleibt nicht: Im April soll mit der Sanierung der East-Side-Gallery begonnen werden. in einer Sitzung am kommenden Dienstag will das Bezirksamt entscheiden.

Bundestagswahl

Russlands Außenminister Lawrow lobt AfD und BSW

Es gebe in ihren Äußerungen »viel Vernünftiges«

 14.01.2025

Helsinki

Scholz: Leben der Geiseln muss oberste Priorität haben

Über die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen heißt es, ein Abkommen sei greifbar. Der Bundeskanzler hofft auf einen Abschluss

 14.01.2025

Karlsruhe

Verdacht der Volksverhetzung: Polizei ermittelt gegen AfD

Es geht um ein in sozialen Netzwerken gepostetes »Abschiebeticket«. Die zumindest in Teilen rechtsextremistische Partei überschreitet immer wieder Grenzen

 14.01.2025

Vatikan

Papst verurteilt Massaker der Hamas und kritisiert Israel

Regelmäßig steht der Papst in der Kritik, er habe den Terrorangriff der Hamas auf Israel nicht klar genug verurteilt. In seinem neuen Buch tut er genau das, wirft aber auch Israel vor, Terror zu produzieren

von Severina Bartonitschek  14.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Medien

Medienwissenschafter: Erleben Großangriff auf unabhängigen Journalismus

Der öffentliche Raum leide unter »sehr reichen, sehr mächtigen Journalismus-Verächtern«

 10.01.2025

USA

Mel Gibson: »Mein Zuhause sah aus wie Dresden«

Zahlreiche Stars sind von der gewaltigen Feuerkatastrophe in Kalifornien betroffen. Auch Mel Gibsons Haus fiel den Flammen zum Opfer. Nach antisemitischen Einlassungen in der Vergangenheit irritiert er nun einmal mehr mit unpassenden Vergleichen

 10.01.2025