Schulprogramm

Mathe wie in Moskau

von Wladimir Struminski

Donnerstagnachmittag, halb fünf. Das Technische Gymnasium ORT in Jerusalem füllt sich mit Schülern. Die Kinder verteilen sich auf insgesamt achtundzwanzig Klassen. Raanan und Michael, stolze fünf Jahre alt, lassen sich von der Lehrerin Rosa in erste Geheimnisse der Physik einweihen. Heute auf dem Unterrichtsplan: der Stromkreis. Für die beiden Jungen ist es nicht leicht zu verstehen, daß die Glühbirne ausgerechnet dann aufleuchtet, wenn der Kreis »geschlossen« ist. Irgendwann aber fällt der Groschen – zur Freude der Pädagogin und ihrer Schützlinge. Eine Etage tiefer üben Elfjährige Bildbearbeitung am Computer. Nebenan lernen ihre Altersgenossen EDV-Programmierung.
Die Kinder, die sich hier zweimal in der Woche treffen, sind Teilnehmer von Mofet – einem Unterrichtsprogramm, das in Israel zunehmend Furore macht. Der Name hat eine Doppelbedeutung. Zum einen ist es das Akronym für »Mathematika, Fisika WeTarbut« (Mathematik, Physik und Kultur), zum anderen bedeutet Mofet auf hebräisch »Vorbild, Muster«. Und genau das soll hier auch geleistet werden: Schulkinder mit Wissen auszustatten, um ihnen einen mustergültigen Start ins Leben zu ermöglichen. Heute profitieren 19.000 Schüler von Mofet: 16.000 besuchen Mofet-Klassen an rund 100 regulären Schulen – auch im arabischen Sektor. Weitere 3.000 büffeln im Rahmen des Nachmittagsprogramms, Tendenz steigend.
Der Erfolg hat bescheidene Wurzeln. Ins Leben gerufen wurde Mofet Anfang? von Einwanderern aus der GUS nach dem Vorbild der sowjetischen Physikalisch-Mathematischen Schulen – Lehranstalten für Hochbegabte, denen der Räte-Verband einen beträchtlichen Teil seines wissenschaftlichen Nachwuchses zu verdanken hatte. »Zunächst hatte niemand daran gedacht, Mofet in das israelische Schulwesen zu integrieren«, erzählt Swetlana Stoin, Leiterin des Jerusalemer Bezirks von Mofet. »Das Programm wurde von Immigranten geschaffen, bei denen das niedrige Niveau des israelischen Schulwesens einen tiefen Schock ausgelöst hatte. Was sowjetische Schüler bereits in der vierten, wenn nicht sogar dritten Klasse gelernt hatten, stand in Israel erst in der siebten Klasse auf dem Lehrplan.« Als Antwort formierten besorgte Eltern Kindergruppen, denen eingewanderte Sowjetlehrer, zumeist ehemalige Pädagogen an Physikalisch-Mathematischen Schulen, den einschlägigen Wissensschatz vermittelten. Der Unterricht fand auf russisch statt.
Vor zehn Jahren beschloß die Mofet-Vereinigung, ihre Dienste israelischen Schulen auf Hebräisch anzubieten. Allerdings stießen die »russischen« Kollegen auf viel Voreingenommenheit und wenig Gegenliebe. Erst nach langen Mühen fand sich die Jerusalemer Klabin-Mittelschule bereit, die erste Mofet-Klasse mit dem entsprechenden Unterrichtsprogramm einzurichten.
Auch heute sind nicht alle Vorurteile ausgeräumt. In sozioökonomisch stärkeren Wohnvierteln halten viele Schulleiter noch immer nichts von den »sowjetischen Methoden« und »sowjetischen Lehrern« – diese machen noch immer 70 Prozent des Lehrkörpers aus. So konzentriert sich der Großteil der Kinder, die am Mofet-Unterricht teilnehmen, an sozial relativ schwachen Standorten. Dort freilich findet eine wahre Revolution statt. »Alle Zwölfkläßler in unseren Klassen erlangen die Hochschulreife«, berichtet stolz Bezirksleiterin Stoin. Im Landesdurchschnitt ist es nur die Hälfte, während die anderen lediglich ein »Abschlußzeugnis« erlangen, das ihnen den Weg zur Universität versperrt. Viele Mofet-Zöglinge nehmen parallel zum Schulunterricht ein Hochschulstudium auf. Wer dabei erfolgreich ist, hat mit neunzehn einen Universitätsabschluß.

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Kommentar

Der stumme Schrei der Arbel Yehoud

Die Israelin wurde am Donnerstag von den Hamas-Terroristen endlich freigelassen. Die junge Frau muss unvorstellbare Qualen ausgestanden haben

von Nicole Dreyfus  31.01.2025

Kultur

Termine und TV-Tipps

Termine und Tipps für den Zeitraum vom 30. Januar bis zum 5. Februar

 30.01.2025

Österreich

»Gegen Antisemitismus und Antizionismus aufstehen«

Der Bundeskanzler, dessen ÖVP Koalitionsgespräche mit der rechtsextremen FPÖ führt, sagt, weder Hass noch Ausgrenzung dürfe Platz geboten werden

 27.01.2025

Irland

Eklat mit Ansage beim Holocaust-Gedenken

Nach seinem Exkurs zum Gaza-Krieg bei der Gedenkfeier in Dublin hagelt es scharfe Kritik am irischen Staatspräsidenten

von Michael Thaidigsmann  27.01.2025

Berlin

Scholz zu Auschwitz-Gedenken: Müssen Erinnerung hochhalten

Am 80. Jahrestag der Befreiung des ehemaligen deutschen Vernichtungslagers wird der Opfer des NS-Terrors gedacht. Viele Zeitzeugen sind mittlerweile gestorben

 27.01.2025

Gedenken

Mehr Menschen sollen sich Auschwitz anschauen

Wer einmal dort war, stelle sich die Frage, warum die Erinnerung wachgehalten werden muss, nicht, so Zentralratspräsident Schuster

 26.01.2025

Geisel-Abkommen

Scholz: Es müssen weitere Geiseln freikommen

Noch immer sind auch deutsche Staatsbürger in der Gewalt der Hamas

 25.01.2025