Lücken und Lobbyarbeit
Claims Conference:
Wie Georg Heuberger Schoa-Opfern helfen will
Georg Heuberger denkt nach, bevor er antwortet. Keine schlechte Eigenschaft für einen Mann, der seit drei Monaten eine so komplizierte und verantwortungsvolle Organisation wie die Claims Conference in Deutschland repräsentiert. Auf der einen Seite muß Heuberger, der zuvor jahrelang das Jüdische Museum in Frankfurt am Main leitete, mit Politikern und Regierungsbeamten verhandeln, Verständnis wecken für die Belange der Holocaustüberlebenden. »Das ist klassische Lobbyarbeit«, sagt Heuberger. Als einen ersten Erfolg sieht er, daß das Bundesfinanzministerium die Mittel für die häusliche Pflege von Überlebenden erstmals für zwei Jahre im voraus bewilligt hat, nicht für drei Monate, was früher zu Versorgungslücken führte.
Auf der anderen Seite stehen die Opfer, die Menschen, an die die Claims Conference das Geld weitergeben muß, das der deutsche Staat bewilligt hat. »Es ist nicht immer einfach, den Menschen zu erklären, daß wir nur in dem Rahmen Anträge annehmen dürfen, den uns der Gesetzgeber setzt«, sagt Heuberger. Undiplomatisch ausgedrückt heißt das: Wenn Anträge abgelehnt werden müssen, kriegt die Claims Conference Ärger, für den sie nichts kann. Dennoch spricht der 60jährige in vorsichtigen Worten auch über notwendige Veränderungen in seiner eigenen Organisation, über mehr Transparenz und zügigere Verfahren.
Manchmal jedoch formuliert Georg Heuberger sehr klar. Dann gestikuliert er in seinem Stuhl, seine Sprache verfärbt sich deutlicher ins Hessische als sonst. Zum Beispiel beim Thema »Ghetto-Rentengesetz«, jenem Vorhaben, mit dem der Bundestag 2002 allen eine bescheidene Rente als Entschädigung bewilligen wollte, die in einem Ghetto gearbeitet hatten – etwa 70.000 Menschen. 95 Prozent der Anträge wurden jedoch abgelehnt. »Nur wer nachweisen kann, freiwillig und gegen Bezahlung gearbeitet zu haben, hat einen Anspruch auf Rente«, erklärt Heuberger, »aber was ist in einem Ghetto freiwillig? Ist ein Teller Suppe täglich eine Bezahlung, wenn andere hungern? Ist die Tatsache, daß man überleben konnte, wenn man einer Arbeit nachging, eine Art Bezahlung?« Historisches Unrecht sind solche Paragraphen für ihn. Das Ghetto-Rentengesetz sei der Abschluß eines Projekts, kein für sich zu nehmender Fall. »Es wäre schade, wenn auf die deutsche Praxis der individuellen Entschädigung, die einmalig ist in der Geschichte, am Ende ein Schatten fallen würde«, sagt Heuberger. Das ist diplomatisch formuliert, aber dennoch deutlich. Tobias Kaufmann