von Tobias Kaufmann
Am Sonntag reist Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einigen ihrer Minister nach Israel. Wir haben ein paar Hinweise zusammengestellt, damit das Verhältnis zwischen Berlin und Jerusalem auch in Zukunft stabil und harmonisch bleibt.
1. Brille abnehmen
Soll nicht heißen, dass irgendjemand nicht so genau hinschauen soll. Aber die Bereitschaft, einen anderen Blickwinkel einzunehmen als den, mit dem man jeden Tag die Welt betrachtet, ist im Verhältnis einer europäischen und einer nahöstlichen Gesellschaft ausgesprochen hilfreich. Wer – wie die Deutschen – 60 Jahre lang in relativer Sicherheit und zunehmendem Wohlstand lebt, wird die Konflikte und Befindlichkeiten in einer bedrohlichen, von Irra- tionalität geprägten Region nur fair betrachten können, wenn er bereit ist, seine Wellnessbrille abzusetzen. Das gilt auch umgekehrt. Im Beisein von Freunden aus Europa können Israelis die schwarzen Gläser mal ablegen. Sonst schielt man aneinander vorbei, bevor man sich überhaupt die Hand geschüttelt hat.
2. Nicht so viel versprechen
Große Worte vom Frieden hier und der uneingeschränkten Solidarität dort sind schnell gesprochen. Aber meistens kommt der Frieden dann doch nicht, und bei der uneingeschränkten Solidarität schiebt sich plötzlich ein Wahlkampf dazwischen – oder ein lohnendes Geschäft im arabischen Raum. Also lieber gleich zurückhalten, dann ist hinterher keiner beleidigt.
3. Nicht belehren
»Wir hatten ja auch mal so eine Mauer ...«; »Gewalt ist keine Lösung ...«; »Gerade Ihr Israelis müsstet doch ...« Die Deutschen sollten ihren moralischen Zeigefinger nicht jedem unter die Nase halten. Wenn sie bei den Israelis etwas erreichen wollen, sind gut gemeinte Vorhaltungen eine Garantie für Misserfolg. Umgekehrt mögen es die Deutschen nicht, wenn Israelis hinter jedem ZDF-Kriegsdrama gleich den Beweis für eine Umkehrung von Täter- und Opferrolle im kollektiven Gedächtnis sehen.
4. Viel telefonieren
Der Israeli hat eine Schwäche für Handys, und Angela Merkel verschickt gerne SMS – gute Voraussetzungen dafür, ständig in Kontakt zu bleiben. Nebenbei steht die Metapher von der Kommunikation aber noch für etwas anderes: Hightech im Informationszeitalter. Technologische und wissenschaftliche Zusammenarbeit sind Schlüsselthemen im israelisch-deutschen Verhält- nis – es wäre ärgerlich, das zu verschlafen.
5. Auf die Bilanz schauen
Was für Technik gilt, gilt auch für die Wirtschaft. Handel stärkt die Beziehung, und wenn sich eine Beziehung rechnet, ist sie stärker – klingt brutal, ist aber so. Deutsche Politiker fahren nach China und Libyen, um Geschäfte einzufädeln. Also nicht nach Israel fahren, nur um Kränze abzuwerfen.
6. Zurückschauen
Selbst die offensichtlichsten Gebote werden gebrochen, also muss man auch das Offensichtlichste betonen. Die Schoa ist nicht schlussstrichtauglich. Deutschland verdankt den Beziehungen zu Israel die Rückkehr in die Weltgemeinschaft. Israel verdankt dem modernen Deutschland eine Menge, finanziell, militärisch und politisch. Merken, aber nicht dauernd drüber reden.
7. Auf Teheran achten
Solange der Iran von wilden Mullahs regiert wird und an Atombomben bastelt, ist die deutsch-israelische Allianz zu einer unfreiwilligen Dreiecksbeziehung mit Teheran erweitert. Für Deutschland heißt das: »Du darfst keine anderen Prioritäten setzen neben mir.« Israel ist der zentrale Partner im Nahen Osten, den es zu schützen gilt. Aber keine Sorge, das ist nicht nur Altruismus, sondern ureigenes Interesse. Keine Exportbilanz wiegt die iranische Atombombe auf.
8. Russisch lernen
Der Israeli ist nicht mehr der, der er mal war – und der deutsche Jude auch nicht. Im Zweifelsfall sind heute beide ehemalige Sowjetbürger. Soll nicht immer ganz leicht sein, birgt aber auch eine Menge Chancen. Erfahrungen mit Einwanderern zu teilen, ist jedenfalls immer gut.
9. Locker bleiben
In Israel schreit man den Ministerpräsidenten schon mal auf offener Straße beim Vornamen an. So locker muss es ja nicht sein, aber ein bisschen mediterraner Charme hat den Deutschen noch nie geschadet. Umgekehrt müssen die Israelis nicht alles in Deutschland gleich ernst nehmen, nur weil es bei den ernsten Deutschen passiert. Also: Nicht alles auf die Goldwaage legen.
10. Nicht glauben, was in der Zeitung steht
Nicht jede Schießerei ist ein Massaker und nicht jedes Gefängnis ist ein KZ – auch wenn manche es so schreiben. Und schlaue Tipps von Journalisten braucht sowieso kein Mensch. Die wenigen Ausnahmen bestätigen die Regel.
Der Autor ist stellvertretender Leiter der Online-Redaktion beim Kölner Stadt-Anzeiger.