von Annette Wollenhaupt
Dudu Fisher ist da. Beim »Solidaritätsabend für Israel« tritt er für die Organisation Or Torah Stone im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main auf. Ein Weltstar, der Erfolge auf den großen Bühnen von Tel Aviv, London und New York feiert. Etwa 350 Gäste sind am Sonntag ins Frankfurter Westend gekommen. Alle wollen den gefeierten Broadway-Star hören, jenen Mann, der bis heute neben seiner Laufbahn als Musicalstar regelmäßig in der bekannten New Yorker Park East Synagoge des Rabbiners Arthur Schneier als Kantor tätig ist. Ihn, der es schaffte, zwei scheinbar unvereinbare Leben miteinander in Einklang zu bringen: das im Showbusiness und das eines orthodoxen Juden.
Noch muß sich das Publikum gedulden. Chaim Szeinwald, Erster Vorsitzender der Freunde von Or Torah Stone, möchte die Organisation vorstellen. Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, betont, wie wichtig ihre Arbeit ist: Or Torah Stone bildet Rabbiner aus. Damit stelle sie eine wertvolle Ergänzung zur Arbeit der Heidelberger Hochschule für Jüdische Studien dar. Die Ausbildung zum Rabbiner sei kompliziert und langwierig, aber »bitter nötig«, erklärt Korn. Schließlich sei die Religion zentrales Fundament des Judentums. Acht von Or Torah Stone ausgebildete Rabbiner seien derzeit in Deutschland tätig, ergänzt Nathan Kalmanowicz, der Kultusdezernent des Zentralrats.
Stone-Präsident Rabbiner Shlomo Riskin weist auf die mehr als 4.000 jungen Menschen hin, die über ein internationales Netzwerk von Schulen, Universitäten und Ausbildungsstätten mit Or Torah Stone lernen und studieren. Die Institution engagiere sich außerdem dafür, daß fromme Juden im israelischen Militär dienen könnten. Mit dem Toanot-Programm ermögliche sie orthodoxen jüdischen Frauen das Tora-Studium und ihre Ausbildung zu Rechtsanwältinnen, die später bei den Rabbinatsgerichten die Interessen von Frauen vertreten könnten. Riskin bedankt sich schließlich bei Dani und Lisa Jammer, die nicht nur Dudu Fishers Frankfurter Konzert, sondern auch jenes einen Tag zuvor in München finanziert haben.
Doch dann kommt er und schreitet im Lichtkegel der Scheinwerfer durch die Reihen des Publikums: Dudu Fisher. Er singt leise, poetische Lieder, traditionelle jüdische Melodien, sehr persönliche, autobiografisch gefärbte wie jenes melancholisch-zarte Liebeslied an seinen Großvater, der ihn Leben und Moral gelehrt habe. Fisher singt die großen Hits von Elvis Presley und Beatles-Songs. Seine Ansagen und Überleitungen sind mal nachdenklich und erzählen von der Leidensgeschichte seiner polnischen Vorfahren und manchmal bedenkt er das allzu orthodoxe Judentum mit liebevoller Ironie. Es bereitet ihm Freude, in Rollen zu schlüpfen: einen alten, sich im Liedtext verhaspelnden Kauz zu spielen, einen blasierten Opernstar, einen coolen, sonnenbebrillten Rocksänger.
Mit Ironie bedenkt Fisher auch die Musicalbranche. Erzählt von jenem Regisseur, der die Rolle von Hodel, einer Tochter des Milchmanns Tewje in »Anatewka« mit Alfred Molina habe besetzen wollen. Flugs gibt Fisher einen wunderbaren Molina ab, tanzt als Latina-Hodel selbstverliebt zu Rumba-Rhythmen. Auf berührende und zugleich unterhaltsame Weise erinnert Dudu Fisher an die unsicheren Anfänge seiner Musicalkarriere. Er habe gefühlt, daß er anders war, daß er anders aß, anders trank, eine Kippa trug und am Schabbat keine Engagements annahm. Zum Glück ließen sich die Musicalmacher auf ihn ein. Bis heute tritt Dudu Fisher an Freitag- und Samstagabenden nicht auf.