von Ulf Meyer
Genau 68 Jahre nach der Reichspogromnacht wird in München an prominenter Stelle eine neue Synagoge eingeweiht. Auf Befehl Hitlers war schon am 7. Juni 1938 der prächtige spätromanische Vorgängerbau neben der Frauenkirche abgerissen worden, fünf Monate vor der Pogromnacht.
Die knapp 60 Millionen Euro teure neue Münchner Synagoge ist ein Meisterwerk der modernen Architektur. Sie besteht aus zwei aufeinandergestellten, durchaus minimalistischen Kuben, von denen der untere, fensterlose, gänzlich mit Naturstein verkleidet ist und den Salomon-Tempel in Jerusalem symbolisiert. Er dient als Sockel für einen darauf ruhenden Glasquader, der den Gebetsraum darunter von oben beleuchtet und zugleich den Blick der Gläubigen in Richtung Himmel richtet. Das Spiel von Licht und Schatten gibt dem Raum eine einzigartige Atmosphäre. Nachts strahlt aus dem Quader Kunstlicht in die Stadt. Die netzförmige Stahlkonstruktion besteht aus einem Dreiecksmuster, das Davidsterne bildet. Die abstrakten, archaischen Kuben wirken schon jetzt zugleich skulptural und massiv, sinnlich und einfach.
Ihre ganze Wirkung werden sie aber erst entfalten, wenn auch das Jüdische Museum nebenan am 22. März kommenden Jahres gegenüber vom Angerkloster eingeweiht wird, das das gestalterische Thema des geschlossenen Steinblocks variiert. Es steht auf einem Glassockel, der mit einer Banderole aus hebräischen Lettern versehen ist.
Ein dritter Neubau am Jakobs-Platz ist das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, in dem Bibliothek, Sporthalle, Volkshochschule, Rabinat, Kindergarten, Schule, Verwaltung und ein koscheres Café sich um einen begrünten Innenhof gruppieren. Allen drei Teilen des Ensembles ist gemein, daß sie sich zwar in den kleinen Maßstab des Jakobsplatzes einfügen, durch ihre Schrägstellung aber dennoch klare, städtebauliche Akzente setzen. Der Neubau des jüdischen Zentrums in München ist immerhin das derzeit größte Bauvorhaben einer jüdischen Gemeinde in Europa und der bedeutendste nichtkommerzielle Bau Süddeutschlands.
Das neue Gotteshaus, das am 9. November eingeweiht wird, ähnelt nicht zufällig der Synagoge in Dresden, deren prägnante Architektur sie zu einem der geschätztesten Neubauten in den neuen Bundesländern machte, denn beide wurden von dem Architekturbüro »Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch« aus Saarbrücken entworfen, das sich wie kaum ein zweites Architekturbüro in Deutschland mit der Theorie des Synagogenbaus beschäftigt.
Während es ihnen im stark kriegszerstörten Dresden darum ging, einen städtebaulichen Anker am östlichen Elbpanorama zu schaffen, mußten die Architekten in München auf eine diffizile Innenstadtlage reagieren. In beiden Fällen nutzen die Planer das spannungsvolle Spiel von Kuben: In Dresden spannen sie zwischen Brühl’scher Terrasse und Carola-Bücke einen geschützten Innenhof auf, während sie in der bayrischen Landeshauptstadt übereinandergetürmt wurden und so einen Platz in der Silhouette der Stadt beanspruchen wie einst die Münchner Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße von 1887, die für die Akzeptanz und gesellschaftliche Bedeutung der jüdischen Gemeinschaft stand.
Wandel, Hoefer, Lorch und Hirsch haben schon beim Entwurf der Frankfurter Shoah-Mauer ihre architektonische Sensibilität bewiesen, die sie davor bewahrt, in postmoderne Klischees zu verfallen. Nach Jahrzehnten des Provisoriums in der Reichenbachstraße, etwa tausend Meter entfernt, soll der Neubau nicht nur den 9.000 Mitgliedern dienen und dabei Spiritualität ebenso fördern wie handfeste Gemeinde- und Bildungsarbeit.
In der ehemaligen »Hauptstadt der Bewegung« schafft der Entwurf einen Anschluß an die Geschichte und Bedeutung der jüdischen Gemeinschaft in München. Jüdisches Leben kehrt in das Herz der Stadt an einem der ältesten Plätze Münchens und damit in die Mitte der Gesellschaft zurück, wo es der NS-Terror vertrieben hat.
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