von Wladimir Struminski
Manchmal muss man ein neues Kapitel im Leben aufschlagen. Genau das hat der 44-jährige Yosef Abramowitz vor knapp zwei Jahren getan. Mit Frau und fünf Kindern wanderte der amerikanische Multimediaunternehmer nach Israel ein. Hier wollte er zunächst eine Verschnaufpause einlegen und mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Zu ihrem neuen Domizil erkoren die Eheleute den Kibbuz Kturah. Das zu zwei Dritteln von angelsächsischen Immigranten bewohnte Kollektivdorf liegt in der Arava-Wüste nördlich von Eilat und nahe der israelisch-jordanischen Grenze (vgl. S. 20). Die Gegend bietet wilde Natur und viel Ruhe, also optimale Bedingungen für gepflegte Langeweile. Allzu lang wurde Abramowitz’ Verschnaufpause nicht. Bereits einen Tag nach seiner Ankunft hatte der Neueinwanderer eine neue Geschäftsidee: Solarkraft. »Wir sind am 24. August 2006 in Ben Gurion gelandet und sofort nach Kturah gefahren. Als ich am nächsten Tag aufwachte und vor die Tür trat, schlug mir eine Woge von Licht entgegen. Da war mir klar: Hier ist der ideale Ort, um die Sonnenenergie zu nutzen.«
Für das Thema hatte sich Abramowitz schon als Teenager interessiert und an seinem Gymnasium sogar einen Preis für ein Solarkraftprojekt gewonnen. Mit solchem Basiswissen und viel Enthusiasmus ausgestattet, rief der Immigrant die Arava Power Company ins Leben und dient heute als ihr Präsident. Das Start-up, an dem der Kibbuz Kturah, jüdische Investoren aus den USA und Abramowitz selbst beteiligt sind, will Israel zu einem weltweit führenden Standort für Sonnenenergie machen. Gegenwärtig plant das junge Unternehmen ein fotovoltaisches Großprojekt. Dieses Verfahren, das Sonnenlicht direkt in Energie umsetzt, gilt als der langfristig aussichtsreichste Weg, die Welt aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgen zu befreien.
Laut Geschäftsplan sollen in der Arava fotovoltaische Kollektorfelder mit einer Gesamtkapazität von 500 Megawatt entstehen. Damit wäre das Arava-Projekt der größte Fotovoltaikstandort der Welt. Das Projekt weckt auch bei ausländischen Investoren Interesse. Deren Namen gibt Abramowitz allerdings noch nicht preis. Gleichzeitig wird mit dem Infrastrukturministerium in Jerusalem über ein Förderpaket verhandelt. »Ich glaube«, sagt Abramowitz, »dass wir schon bald zumindest das erste Stadium des Projekts anpacken können.« Ein kleiner Schritt für Arava Power, ein Riesensprung für Israel. »Ich möchte dazu beitragen, dass Israel im Wortsinne zu einem Licht für die Völker wird – und zwar zu einem erneuerbaren«, sagt der energetische Optimist.
In der Tat: Effizientere Solarenergie käme nicht nur Israel zugute. Ein potenzieller Nutznießer liegt gleich vor der Haustür: Jordanien. »Die Sonne«, erklärt Abramowitz poetisch, »kennt keine Staatsgrenzen.« Im haschemitischen Königreich weist man die israelischen Ideen zumindest nicht gleich zurück. Abramowitz ist bereits mit vier jordanischen Ministern zusammengetroffen, um mit ihnen über eine eventuelle Kooperation auf dem Gebiet der Sonnenenergie zu beraten. Im Erfolgsfall ließe sich das Wissen aus der Arava natürlich auch über den Nahen Osten hinaus verbreiten. Abramowitz findet, dass nicht nur Israel, sondern das ganze jüdische Volk bei der Sonnenkraft mit gutem Beispiel vorangehen und damit seinen »CO2-Fußabdruck« reduzieren sollte. Wo immer möglich, sollten jüdische Einrichtungen Solarpanele auf ihren Gebäuden anbringen – auch in der Bundesrepublik, einem Land, dem der Unternehmer aus Kturah Pionierleistungen auf dem Gebiet der Sonnenenergie bescheinigt. Beten Juden in Deutschland also schon bald in solaren Gotteshäusern? In der Welt eines Yosef Abramowitz ist das eine durchaus reelle Möglichkeit.