Herr Yavne, vor Kurzem wurde vermutlich von »rechten Kreisen« ein Bombenattentat auf den Israel-Preisträger Ze’ev Sternhell verübt (vgl. S. 2). Gibt es einen neuen »jüdischen Untergrund«?
yavne: Zu laufenden Ermittlungen kann ich nichts sagen. Sicher aber ist: Die Anzahl der Gewalttaten gegen Palästinenser und neuerdings auch gegen Angehörige der israelischen Sicherheitskräfte durch Siedler im Westjordanland ist erheblich gestiegen.
In welchem Ausmaß?
yavne: 2006 und 2007 wurden 587 beziehungsweise 551 »Störungen des öffentlichen Friedens« registriert. Wobei man berücksichtigen muss, dass viele Palästinenser derlei Vergehen gar nicht erst anzeigen. Schon in den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren wir bei 429 Gewalttaten wie Brandstiftung, Zerstörung von Olivenbäumen oder tätlichen Angriffen.
Handelt es sich um »spontane« Aktionen oder organisierte Gewalt?
yavne: Im Westjordanland haben neue radikale Gruppierungen wie das »Komitee der Siedler von Samaria« eine Taktik namens »Preisschild« entwickelt. Sie wollen die Räumung schon kleinster illegaler Außenposten so erschweren, dass niemand an die Räumung größerer Siedlungen auch nur zu denken wagt.
Wer steckt hinter diesen Gruppierungen?
yavne: Zum Teil die »Siedlerjugend«, die schon in den besetzten Gebieten aufgewachsen ist. Das sind Leute, die sich an kein Gesetz mehr halten. Aber viele neue Gruppierungen werden massiv von den »Urgesteinen« der Siedlungsbewegung und von radikalen Rabbinern unterstützt.
Der Anschlag auf Sternhell zeigt, dass sich die Gewalt offensichtlich nicht auf das Westjordanland beschränkt.
yavne: Zum ersten Mal beschweren sich Sicherheitskräfte offen über die Verachtung, die diese Siedler auch gegenüber Soldaten, Offizieren und Polizisten an den Tag legen. Diese Gruppierungen haben generell das »Establishment« zum Feind erklärt. Dazu gehören sowohl die Ziviladministration der besetzten Gebiete und der israelische Inlands- geheimdienst, der ihre Aktivitäten überwacht, als auch Armee und Polizei.
Mit dem Forschungsdirektor der israelischen Menschenrechtsorganisation »Yesh Din«
(Es gibt ein Gesetz) sprach Sylke Tempel.