Ein Sonntagnachmittag am Mainzer Höfchen, dem Platz zwischen Dom und Theater. Ein junger Mann steht am Fuß einer Skulptur aus Stahlrohren und schaut stirnrunzelnd zu neun Plexiglasleuchten hoch. »Wenn ich den Hintergrund nicht kenne, kann ich eigentlich gar nichts damit anfangen«, gibt er zu. So wie diesem Mann ist vielen Mainzern nicht gleich klar, was hier mitten in der Innenstadt elf Meter in die Höhe ragt: Es ist ein Chanukka-Leuchter, wie eine Informationstafel verrät.
Der Künstler Michael Wolff hat die Skulptur gebaut und Mitte Januar aufgestellt. »Für mich ist wichtig, daß die Leute durch das Wahrnehmen des Leuchters als jüdisches Symbol etwas erkennen, das unauslöschlich mit der deutschen Geschichte verbunden ist«, erklärt Wolff. Der Leuchter solle zu einer Auseinandersetzung mit der Judenverfolgung anregen.
Tatsächlich regt der Leuchter viele der Passanten zum Nachdenken an. »Ich verstehe es als ein Symbol für eine harmonische Verbindung der Religionen – gerade an diesem Platz«, sagt eine Mainzerin. Sie spielt dabei auf die Nähe zum Dom an und auf die Geschichte des Höfchens. Im 11. Jahrhundert suchten die Mainzer Juden dort im Bischofshof Schutz vor den Kreuzfahrern, sagt die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mainz, Stella Schindler-Siegreich. »Doch diese belagerten den Hof und die Juden starben den Märtyrertod, um der Taufe zu entgehen«, erklärt sie.
Der Künstler hat die jüdische Gemeinde über sein Vorhaben informiert, und die Gemeinde hat ihr Einverständnis gegeben. »Ich hatte nichts dagegen – und es hat mich berührt zu sehen, daß eine Chanukkia in der Nähe des Doms steht«, sagt Schindler-Siegreich. Daß der Leuchter erst knapp zwei Wochen nach dem Chanukkafest aufgestellt wurde, halten einige Gemeindemitglieder für unangemessen. Schindler-Siegreich hat mit dem Zeitpunkt kein Problem. »Für mich ist das nicht eine Chanukkia, wie ich sie als Jüdin zu Chanukka anzünden würde, sondern das Objekt eines Künstlers«, sagt Schindler-Siegreich.
Am 20. Februar wird der Leuchter wieder abgebaut. Zwar hat die Stadt Mainz noch keine Pläne, was dann mit dem Objekt geschehen soll, doch »alle Signale deuten darauf hin, daß wir eine dauerhafte Aufstellung des Leuchters sehr wohlwollend prüfen werden«, sagt Pressesprecher Ralf Peterhanwahr. Fabian Wallmeier
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