Régis Debray wollte, wie er selbst sagt, immer »einen auf Intellektuellen machen«. Gemäß dieser Attitüde hat der Philosoph eine Anklageschrift gegen Israel verfasst, die am 19. Mai unter dem Titel A un ami israélien (»An einen israelischen Freund«) in Frankreich erschienen ist. Der Text ist als Briefwechsel gestaltet, in dem der Autor sich an den ehemaligen israelischen Botschafter in Frankreich, Elie Barnavi, wendet. Dieser antwortet am Ende des Buches auf einige von Debrays Vorwürfen.
Der Kunstgriff des dialektischen Austauschs zwischen Freunden sollte dem Gesagten wohl etwas an Schärfe nehmen. Dennoch schreibt Debray, er sei sicher, sich wegen seiner Kritik »mit mehr als der Hälfte seiner besten Freunde zu überwerfen«. Dieses Risiko nahm er jedoch in Kauf. »Ich wollte nicht krepieren, ohne das hier getan zu haben«, erklärt der 69-Jährige theatralisch.
Auf über 100 Seiten legt Debray seine Ansichten zum Nahostkonflikt dar. Er behauptet, dass Israel den Holocaust als Vorwand für den, seiner Ansicht nach, unmenschlichen Umgang mit den Palästinen- sern benutze: »Den Holocaust-Überlebenden von 1945 auf eine Ebene mit dem Robocop von 2010 zu stellen, erlaubt uns, das Flüchtlingslager von heute durch das Konzentrationslager von damals zu rechtfertigen.« Für Debray steht ein »überbewaffnetes Israel« einer »entwaffneten und schutz- losen arabischen Welt« gegenüber.
Die Bedrohung durch die Hamas oder den Iran erwähnt Debray nicht. Er räumt zwar ein, dass der Hass auf den jüdischen Staat in der Region real ist. Für ihn scheint er allerdings die Konsequenz von Israels Verhalten zu sein. Sobald Israel Willen zum Frieden zeige und sich um gute Nachbarschaftsbeziehungen bemühe, würden auch die antisemitischen Ressentiments enden. Den USA und Europa wirft der Autor vor, Israel gegenüber unterwürfige Nachsicht walten zu lassen und dem Land damit keinen Gefallen zu tun. Barnavi warnt Debray an dieser Stelle davor, Israel als omnipotenten Riesen darzustellen. Insgesamt fallen die Argumente in seiner 30-seitigen Antwort jedoch eher wohlmeinend aus.
Nicht so freundlich war die Reaktion des Regisseurs Claude Lanzmann, ebenfalls ein langjähriger Weggefährte Debrays. Er wirft dem Philosophen vor, seine Abneigung gegenüber Israel halte ihn von einer ausgewogenen Sichtweise ab. Noch schlimmer sei, dass »Debray überhaupt keine Ahnung von Israel habe«. Iris Hartl
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