von Katrin Richter
Im Juni möchte ich meine Freunde in Hamburg besuchen und einen Abstecher nach Pinneberg machen. Doch was ist los in Pinneberg? In Zeiten von Google und Wikipedia sollte es kein Problem sein, das herauszufinden. Ein Klick auf die richtige Homepage und die Ergebnisse präsentieren sich innerhalb von Sekunden. Oder doch nicht? Die Stadt ist schnell gefunden, doch wo finde ich die jüdische Gemeinde? Wer nachsehen möchte, welche Veranstaltungen geplant sind, findet sie leider nicht auf Anhieb, denn Gemeinde hat keine eigene Webseite. Was tun? Anrufen? Zu spät. Es gibt noch den Landesverband. Zwei, drei Klicks später steht es: im Juni gibt es in Pinneberg ein Klavierkonzert.
Bei der Suche nach Aktuellem aus anderen jüdischen Gemeinden habe ich weniger Glück. Häufig werden auf den Startseiten Termine und Veranstaltungen von vor zwei Jahren angekündigt, die Gottesdienste haben schon stattgefunden, und das Konzert der regionalen Klesmerband macht mich zwar neugierig, ist aber leider schon vorbei.
Von den rund 102 Gemeinden des Zentralrats der Juden in Deutschland präsentiert sich nur etwa ein Viertel im Internet. Mal mehr, mal weniger aktuell. Wer sich einen Überblick über die Geschichte des Judentums in Deutschland verschaffen möchte, wer jüdische Museen sucht oder wer einfach mal sehen möchte, wie die Präsidiumsmitglieder des Dachverbandes aussehen, der ist auf der Seite des Zentralrats der Juden richtig. Sie enthält Basisinformationen, die, neben englisch und deutsch, auch auf Russisch angeboten werden.
Und wie war gleich noch mal die exakte Anschrift der jüdischen Gemeinde in Pinneberg? Die Zentralratswebsite hilft weiter. Auf einer aktiven Deutschlandkarte sind die jüdischen Gemeinden nebst Anschrift und Verweis auf die – sofern vorhanden – eigene Homepage zu finden. Hat die Gemeinde keine eigene Website, wird auf den Landesverband verwiesen. Einige der 23 Vertretungen auf Landesebene gehen bei ihrem Internet-Auftritt mit gutem Beispiel voran. Von denjenigen, die online sind, erfährt man viele wissenswerte Informationen: Sie geben einen Überblick über die Mitgliedsgemeinden und deren Geschichte und Satzungen sowie Veranstaltungen mit Fotos.
Nicht so gut sieht es mit vielen Gemeinden in der Mitte und im Osten Deutschlands aus. Sie sind nicht nur virtuell unterrepräsentiert, sondern ihre Webseiten sind oft auch nicht aktuell. Die Gemeinde der Bundeshauptstadt macht da keine Ausnahme. Zwar kann sie einen sehr gut strukturierten Serviceteil mit einer umfangreichen Adresssammlung von jüdischen Organisationen wie Kindergärten, Krankenhaus, Sozial- und Kultusabteilung bis hin zu koscheren Restaurants aufweisen, doch aktuell sind ihre Veranstaltungshinweise nicht. Zum Teil stammen sie aus dem Jahr 2005. Die Links jedoch sind aktiv und leiten den Besucher nicht fehl. Die Gemeindezeitung kann heruntergeladen werden, und es gibt eine wirklich gute Bildergalerie. Auch die IKG Baden-Baden ist mit ihren Veranstaltungshinweisen nicht auf dem neuesten Stand. Die Maariw- und Schacharitzeiten sind jedoch aktuell und stehen als Download zur Verfügung.
Manchmal fehlt nur die Kleinigkeit »aktuelle Termine«, um eine Gemeinde angemessen zu präsentieren. Eine positive Ausnahme unter den ostdeutschen Gemeinden bildet die Seite der Jüdischen Gemeinde Halle/Saale. Die aktuellen Termine sind bis jetzt zwar nur als »pdf« herunterzuladen, sollen aber, so wird versprochen, »in Kürze folgen«. Die Hallenser Seite bietet eine Liste verschiedener Organisationen. Wer sich über israelische Politik informieren möchte, aber gerade keine Ha’aretz oder Jerusalem Post zur Hand hat, findet über den Link zum Newsletter der israelischen Botschaft wichtige Neuigkeiten aus dem Nahen Osten.
Ein anderes positives Beispiel, wie sich eine Gemeinde präsentieren kann, ist die Synagogengemeinde Saar. Auf ihrer Seite finden sich neben Terminankündigungen, Presseberichten auch Anmeldeformulare zu Synagogenführungen oder das Jahresblatt. Dabei wird die Seite gerade einmal von zwei Menschen auf den neuesten Stand gebracht, von Geschäftsführer Marcel Wainstock und seiner Assistentin Marlene Reiber. »Wir wollen mit der Zeit Schritt halten und unsere Gemeinde auch auf diese Weise darstellen«, sagt Wainstock. In den vergangenen Monaten stieg die Nachfrage nach ihrem Newsletter stetig an. Es sind also nicht nur große Gemeinden wie München oder Düsseldorf, die sich perfekt darstellen können.
Die größten Probleme scheinen die Gemeinden bei ihren Internetauftritten mit der Pflege aktueller Termine zu haben. Das verprellt die Nutzer. Webseiten, auf denen die Gemeinden die Bilder der letzten Veranstaltung im Kulturzentrum, eine ausführliche Linkliste oder eine Presseschau zeigen, wirken lebendiger. Die Menschen sollen doch sehen, dass hier etwas passiert. Denn nur das garantiert, dass die Seite auch besucht wird. Die Jüdische Gemeinde Hildesheim überarbeitet gerade ihren Webauftritt. Vielleicht gibt es ja eine weitere positive Überraschung.
Wenn ich meine Bekannten im Juni in Hamburg besuche, werde ich jedenfalls auch nach Pinneberg reisen, und das nicht virtuell, sondern mit der Bahn.