Die Einwanderung äthiopischer Juden nach Israel ist nach 30 Jahren offiziell beendet. Die 61 Einwanderer, die vergangene Woche aus Addis Abeba am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv ankamen, waren die letzten Angehörigen der äthiopischen Falaschmura-Gruppe, die nach Israel kommen durften. Im Jahre 2003 hatte die Regierung von Ministerpräsident Ariel Scha- ron rund 17.000 Falaschmura die Einwanderung erlaubt und die Kandidaten namentlich erfasst. Jetzt wurde die Einwanderungsquote erschöpft. Auf den ersten Blick mag das verwundern. Schließlich verleiht das israelische Rückkehrgesetz jedem Juden das Einwanderungsrecht und sieht keine Quoten vor. Allerdings sind die Falaschmura keine Juden, sondern Nachfahren von zum Christentum übergetretenen Angehörigen der jüdisch-äthiopischen Religionsgemeinschaft. Zwar bildeten sie in der äthiopischen Gesellschaft eine gesonderte Gruppe, gehorchten aber nicht den Gesetzen des Judentums und waren mit den in der Geez-Sprache verfassten heiligen Texten äthiopischer Juden nicht vertraut.
Als die Juden Äthiopiens in den 80er- und Anfang der 90er-Jahre nach Israel auswanderten, blieben die Falaschmura zurück. Ihre Immigration erfolgte erst später, nicht aufgrund des Rückkehrgesetzes, sondern im Rahmen der allgemeinen gesetzlichen Einreisebestimmungen. Diese aber lassen – wie in jedem anderen Land auch – keine automatische Immigration zu. Die Falaschmura werden zwar von der Jewish Agency (Sochnut) betreut, doch handelt diese, so Sochnut-Pressesprecher Michael Jankelowitz, in diesem Fall in Erfüllung eines Regierungsauftrags und nicht im Rahmen ihrer originären Bemühungen um die Förderung jüdischer Immigration. Auch werden die Falaschmura nicht bei Ankunft, sondern erst nach dem für sie zum Einwanderungsprogramm gehörenden Übertritt zum Judentum eingebürgert.
Bei manchen aus Äthiopien eingewanderten jüdischen Israelis stößt die Immigration der Falaschmura auf Widerstand. Zu den lautstärksten Kritikern gehört der Journalist Dani Adino Abeve. Er hat die fehlende Verbindung der Migranten zum Judentum oft beklagt. Allerdings haben die Falaschmura einen mächtigen Förderer: die ultraorthodoxe Schas-Partei. Diese sieht in ihnen verlorene Söhne des jüdischen Volkes – und potenzielle Schas-Wähler. Insgesamt sind bisher rund 40.000 Falaschmura in Israel eingewandert – genauso viele wie gebürtige Juden. Ob damit wirklich Schluss ist, muss sich zeigen: Beim Obersten Gericht ist eine im Namen von 8.500 weiteren, in Äthiopien verbliebenen Falaschmura eingereichte Klage auf Einwanderungserlaubnis anhängig. Auch Einzelfälle sind denkbar, etwa im Rahmen der Familienzusammenführung. Für andere nichtjüdische Äthiopier aber, die sich auf die eine oder andere Weise auf jüdische Vorfahren berufen könnten – ihre Zahl geht möglicherweise in die Millionen –, bleiben Israels Tore jedoch auch künftig verschlossen.
Wladimir Struminski
Alija