Jean-Marie Lustiger

Leben mit schwerem Erbe

Leben mit schwerem Erbe

Zum Tode des Kardinals
Jean-Marie Lustiger

von Lars Weber

Am vergangenen Sonntag ist der französische Kardinal Jean-Marie Lustiger, Sohn jüdischer Eltern, im Alter von 80 Jahren an den Folgen eines langjährigen Krebsleidens gestorben. Der ehemalige Erzbischof von Paris konvertierte im 14. Lebensjahr 1940 zum Katholizismus und nahm zusätzlich zu Aaron die Vornamen Jean und Marie an.
»Persönliche Belange und eine spirituelle Suche waren die Gründe seiner Konversion«, erklärt Richard Prasquier, Präsident des Repräsentativrats der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF). »Der Kardinal war stets dem Judentum zugewandt und solidarisch. Er wurde in der jüdischen Gemeinschaft geachtet, die in der Regel verhalten bei Konvertierten reagiert.«
Lustiger war ein Cousin des Schriftstellers Arno Lustiger. Durch die Deportation und Ermordung seiner Mutter in Auschwitz war Lustiger direkt vom Grauen der Schoa betroffen. Für seine Eltern, die aus Polen geflohen waren, spielte Religion nur eine geringe Rolle, im Gegensatz zum Großvater, der Rabbiner war. Dennoch hatte Lustigers Vater Mühe, die Konversion seines Sohnes zu akzeptieren, der nach dem Krieg mit dem Theologiestudium an der Sorbonne begann. 1954 wurde er zum Priester geweiht. Weitere Stationen waren das Bischofsamt von Orléans 1979, bevor er zwei Jahre später zum Erzbischof von Paris und 1983 zum Kardinal berufen wurde.
Lustiger war ein enger Vertrauter von Papst Johannes Paul II. Beide verband die polnische Herkunft, die Liebe zur Philosophie und das Bestreben, gegen den schwindenden Einfluss der katholischen Kirche im kommunistischen Polen und im säkularisierten Frankreich vorzugehen. »Durch seinen engen Kontakt zu den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. sowie seine eigenen Initiativen spielte der Kardinal eine außergewöhnliche Rolle bei der jüdisch-christlichen Annäherung«, erklärt Prasquier, der jahrelang die jüdisch-katholische Kommission des CRIF leitete.
Eines der Verdienste Lustigers war es, acht Nonnen zu überzeugen, ein von ihnen benutztes Gebäude auf dem Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz zu räumen. Zehn Jahre lang schwelte dieser Konflikt zwischen den Juden und Katholiken Polens und Westeuropas. Lustiger unterstützte auch das Anliegen Papst Johannes Paul II., sich für die Fehler der Kirche in der Vergangenheit bei den Juden zu entschuldigen. Er war Teil der Bischofsdelegation, die 1997 im ehemaligen französischen Lager Drancy Reue zeigten. Zusammen mit Johannes Paul II. besuchte der Kardinal im Jahr 2000 Israel, als der Papst die Schoa ein »Golgatha der modernen Zeit« nannte.
»Ich bin Jude, weil meine Eltern und Vorfahren jüdisch waren«, erklärte Lustiger 2005 in einem Interview. »Mein Erbe anzuerkennen hindert mich nicht daran, ein Anhänger Jesu zu sein.« Lustiger lebte in dem Bewusstsein, dass sein besonderes Schicksal eine göttliche Herausforderung sei.

Mainz

Weißer Ring: Jüdisches Leben auf dem Rückzug

Barbara Richstein, die neue Bundesvorsitzende der Organisation, fordert ein klares Eintreten gegen Judenhass

 15.01.2025

Berlin

Weltweiter Antisemitismus alarmiert Bundesbeauftragten Klein

Negative Stereotype über Juden sind einer Befragung zufolge weltweit so verbreitet wie nie

 15.01.2025

Bundestagswahl

Russlands Außenminister Lawrow lobt AfD und BSW

Es gebe in ihren Äußerungen »viel Vernünftiges«

 14.01.2025

Helsinki

Scholz: Leben der Geiseln muss oberste Priorität haben

Über die Verhandlungen um eine Waffenruhe im Gazastreifen heißt es, ein Abkommen sei greifbar. Der Bundeskanzler hofft auf einen Abschluss

 14.01.2025

Karlsruhe

Verdacht der Volksverhetzung: Polizei ermittelt gegen AfD

Es geht um ein in sozialen Netzwerken gepostetes »Abschiebeticket«. Die zumindest in Teilen rechtsextremistische Partei überschreitet immer wieder Grenzen

 14.01.2025

Vatikan

Papst verurteilt Massaker der Hamas und kritisiert Israel

Regelmäßig steht der Papst in der Kritik, er habe den Terrorangriff der Hamas auf Israel nicht klar genug verurteilt. In seinem neuen Buch tut er genau das, wirft aber auch Israel vor, Terror zu produzieren

von Severina Bartonitschek  14.01.2025

TV

Handgefertigte Erinnerung: Arte widmet Stolpersteinen eine Doku

Mehr als 100.000 Stolpersteine erinnern in 30 Ländern Europas an das Schicksal verfolgter Menschen im Zweiten Weltkrieg. Mit Entstehung und Zukunft des Kunstprojektes sowie dessen Hürden befasst sich ein Dokumentarfilm

von Wolfgang Wittenburg  13.01.2025

Marburg

»Biodeutsch« ist »Unwort des Jahres« 2024

Diskriminierend und »eine Form von Alltagsrassismus«: So stuft die Jury den Begriff ein, wenn er wörtlich verwendet wird. Zum »persönlichen Unwort« der Mitglieder Cheema und Mendel wurde »importierter Antisemitismus«

 13.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025