von Johannes Boie
Vielleicht war es keine gute Idee, unmittelbar vor ihrer ersten Aufführung mit den Tadbrothers ein Interview führen zu wollen. »Nervös? Wir? Nervös? Ja klar, Mann, wir sind nervös.« Und wie nervös sie sind! Erst haben Avi Toubiana, 29, und sein Bruder David, 26, keine Lust, Fragen zu beantworten: »Klären wir das lieber nach der Aufführung...«. Dann sollen Journalist und Fotograf noch das Catering der Comedians im Backstage-Bereich verzehren: »Wir bekommen jetzt eh keinen Bissen runter.«
Da verlegt man die Fragerunde eben auf später und nimmt erwartungsvoll im Zuschauerraum Platz. Um 20.15 Uhr geht das große Licht aus. Die Spotlights gehen an. Hinterm Vorhang kommen zwei Menschen hervor, die man noch nie gesehen hat. Das sollen die schüchternen, aufgeregten jungen Männer aus dem Backstage-Bereich sein? Wie die brüllen können! Wie die sich bewegen können! Was die für Grimassen schneiden können! Avi und David sind von der ersten Minute an urkomisch. Kaum eine Minute sind sie auf der Bühne, da haben sie die Lachmuskeln der Zuschauer unter Kontrolle. Und die Brüder kennen keine Gnade. Heute abend soll niemand das BKA-Theater ohne Bauchschmerzen verlassen.
»Wir waren schon in der Grundschule die Klassenclowns«, erinnern sich Avi und David. Damals habe die Klassenlehrerin gedroht, als Clown verdiene man später kein Geld. Versuchen wollten die beiden es trotzdem.
Aber den direkten Weg haben die Brüder nicht gewählt. Der ältere, Avi, wird nach der Schule erst einmal Kfz-Mechaniker. Er ist Jugendleiter in Jüdischen Gemeinden in Westfalen-Lippe und eine Zeit lang auch Chef des Jüdischen Studentenbunds in Berlin. David studiert zunächst Bioinformatik in London. Aber letzten Endes bahnt sich der Drang zu blödeln unaufhaltsam seinen Weg. Die Brüder besuchen die renommierte »Lee Strasberg Acting School« in New York und üben Stand-up-Comedy in Toronto. Schließlich schreiben sie ihr eigenes abendfüllendes Stück, das sie Ende Januar im BKA-Theater zum besten geben: »Wir haben es selber geschrieben, wir spielen es selber.«
»Mord im Panini-Express«, heißt die Show der Tadbrothers. Tatsächlich spielt die italienische Backware eine nicht zu unterschätzende Rolle in dem klassischen Krimi. Um das trockene Stück Brot sind eine ganze Reihe von Figuren drapiert – und allesamt werden sie von den Brüdern Toubiana gespielt: Da gibt es eine hysterisch kreischende Frau, zwei wahnwitzige Kinder, einen italienischen Kellner, einen Stotterer mit 10-Dioptrien-Brille, einen faschistoiden Schaffner, einen rosenverkaufenden Inder und vor allem einen pädophilen, homosexuellen Priester. Als der Zug der Stereotype mal eben in einen imaginären Tunnel fährt, liegt kurz darauf eine Leiche im Abteil. Niemand kennt den Toten, aber alle wollen der Mörder sein: Dieser durchaus komische Umstand ist der Tatsache zu verdanken, daß der Tote ein Testament bei sich trägt, das seinem Mörder einige Millionen Bargeld verspricht, denn: »Ich war ein Heuchler und Dieb, wer mich umbringt tut Gutes.« Jetzt tritt noch der berühmte Kommissar Brio samt Assistent Jean Püps Picard auf den Plan: ein dämlicher Chef und ein verschlafener Untergebener, der mehr drauf hat, als man ahnt.
Die Grundsituation ist also durchaus klassisch: ein Kriminalfall, viele Stereotype. Daß es nicht langweilig wird, ist dem stringenten Aufbau des Stücks zu verdanken. So erzählen die Möchtegern-Täter der Reihe nach den ermittelnden Beamten ihr (erfundenes) Tatmotiv. Statt Verteidigung klagt man sich also an – des schnöden Mammons wegen. Dabei kommen ganze Lebensgeschichten ans Tageslicht, alle-samt brillant gespielt von den Tadbrothers. Clever vermischen die Brüder viele unterschiedliche Formen von Comedy und zeigen die Bandbreite ihres Können: Stand-up, Kalauer, Wortwitz, Pantomime und nicht zuletzt eine gehörige Portion selbst-reflexiver Witz beanspruchen die Lachmuskeln der Zuschauer.
Die Tadbrothers nehmen sich ein Beispiel an einem uralten Erfolgsprinzip: Einfach ist lustig. Sie bieten keine intellektuell anspruchsvolle Komik. Was Inspek-
tor Brio und sein Assistent zutage fördern, ist schlichte Entspannung.
Wer nun wirklich der Täter ist, bleibt bis kurz vor Schluß im dunkeln, und soll auch hier verschwiegen werden. Nur soviel wird verraten: Das viele Geld bekommt zum Schluß der einzige, der es verdient.
Geld verdienen endlich auch Avi und David – und zwar in ihrem Traumjob. Die Brüder haben gute Chancen, sich als Comedians einen Namen in Berlin zu machen. Klar: an der einen oder anderen Stelle merkt man ein wenig fehlende Er-
fahrung des jungen Teams – aber gleichzeitig bringen die Brüder auch viele frische Ideen mit ins BKA-Theater. Und zwischen all den glattgeschliffenen, rou- tinierten Shows in der Stadt ist der »Mord im Panini-Express« eine angenehme und sehenswerte Ausnahme.
Wie haben sich die nervösen Brüder noch vor der Show gefürchtet? »Wenn keine Lacher sind, haben wir das in 60 Minuten durch.« Die erste große Aufführung der Tadbrothers hat immerhin 90 Minuten gedauert. Die alte Grundschullehrerin muß ihre Meinung vielleicht doch noch mal revidieren.