Helmut Kindler, der vor zehn Tagen im Alter von 95 Jahren gestorben ist, war ein erfolgreicher Verleger. Aber sein eigentliches Lebensziel hat er wegen Hitler nicht verwirklichen können. Der 1912 geborene Berliner hatte Bühnenregisseur werden wollen. Als er aber 1933 sah, wie seine Vorbilder, darunter Erwin Piscator, Bertolt Brecht, Fritz Kortner, Ernst Busch, Friedrich Hollaender und Kurt Weill, in die Flucht getrieben wurden, gab er dieses Berufsziel auf: Er wollte nicht Karriere machen auf Kosten der Verfolgten.
Den verfolgten Künstlern widmete er als Verleger 1947 die Anthologie verboten und verbrannt, der weitere Veröffentlichungen folgten. Auch Bücher wie Der SS-Staat von Eugen Kogon, Exodus von Leon Uris, Sebastian Haffners Anmerkungen zu Hitler sowie Gedichte gegen den Krieg zeugen von Engagement.
Kindlers Beziehungen zum Judentum waren nicht nur intellektueller Natur. Als Redner beim Berliner Friedenskonzert am 8. Mai 1985 erzählte er zwischen Musik von Schostakowitsch und Messiaen den Zuhörern von seiner Widerstandstätigkeit im Dritten Reich, der Verhaftung und seinem glücklichen Überleben, weil ihn eine mutige Berlinerin und ihr Mann in ihrer Wohnung versteckt hatten. Erst wenige Tage vor Kriegsende erfuhr Kindler, dass der vermeintliche »Ehemann« seiner Retterin in Wahrheit der Breslauer Jude Moritz Jakob war, der dort schon seit 1939 versteckt war. In seiner Autobiografie Zum Abschied ein Fest berichtet Kindler, wie er drei Tage nach Kriegsende, am 11. Mai 1945, diesen Moritz Jakob zum Jüdischen Friedhof Weißensee begleitete, um dort – wohl als einziger Nichtjude – an einer Befreiungsfeier Berliner Juden teilzunehmen, die im Untergrund überlebt hatten. Der Artikel »Laubhüttenfest«, den Kindler darüber für die Berliner Zeitung schrieb, wurde nicht abgedruckt. Aber seine Autobiografie ließ er – nun doch noch Regisseur – mit einem imaginären Laubhüttenfest enden, zu dem er die jüdischen Autoren einlud, deren Werke er verlegt hatte. Albrecht Dümling
Helmut Kindler