von Wladimir Struminski
Am Sonntag ist Mosche Katsav in den Urlaub gefahren. Mit seiner Familie verbringt er ein paar Tage in Tiberias. Daß der Präsident seinen Aufenthalt am See Genezareth unbeschwert genießen kann, ist allerdings kaum anzunehmen. Denn nachdem Israels Staatsoberhaupt in der vergangenen Woche wegen des Verdachts auf Sexualstraftaten und Korruption vernommen wurde, werden Forderungen nach seinem Rücktritt lauter.
Ihren Lauf nahm die Affäre vor anderthalb Monaten. Damals beschuldigte Katsav eine ehemalige Mitarbeiterin, ihn wegen von ihm abgestrittener sexueller Belästigung und Korruption zu erpressen. Damit löste er eine Lawine aus, die ihn jetzt zu begraben droht. Im Zuge der vom Rechtsberater der Regierung, Meni Masus, angeordneten Ermittlungen stellte die Polizei fest, daß beide Vorwürfe zumindest nicht ganz von der Hand zu weisen sind.
Nach Angaben der Knesset-Abgeordneten Shelly Yachimovich, die mit der Ex-Sekretärin zusammengekommen ist, beschuldigt die junge Frau den Präsidenten der mehrfachen Vergewaltigung. Außerdem soll Katsav ihm vorliegende Begnadigungsgesuche Außenstehenden zur Stellungnahme überlassen haben. Dabei, so der Verdacht, sei auch Geld geflossen.
Katsav selbst streitet jede Schuld ab. Vor der Strafverfolgung ist er ohnehin durch seine weitreichende Immunität geschützt. Auch der Rechtsberater der Regierung darf keinen Rücktritt des Staatspräsidenten anordnen. Ob Katsav die restliche Amtszeit bis August kommenden Jahres in der Präsidialresidenz verbleibt, ist trotzdem zweifelhaft. Zum einen gerät der Bürger Nummer eins unter immer stärkeren öffentlichen Druck. Zum anderen könnte er von der Knesset des Amtes enthoben werden, wenn 90 der 120 Abgeordneten befinden, das Verhalten des Staatschefs sei seiner Stellung nicht würdig. Ein entsprechendes Begehren wurde bereits vom Abgeordneten der Arbeitspartei, Joram Marciano, in die Wege geleitet. Unter diesen Umständen wird die Suche nach dem nächsten Präsidenten aktuell.
Als führender Kandidat gilt der ehemalige aschkenasische Oberrabbiner Israels und heutige Stadtrabbiner von Tel Aviv, Israel Meir Lau. Für Lau spricht nicht nur die Tatsache, daß er der Kandidat von Ministerpräsident Ehud Olmert ist. Vielmehr gilt er, obwohl an der Grenze zur Ultraorthodoxie angesiedelt, als ein Mann des Ausgleichs, der seit langem den Dialog zu allen Bevölkerungsgruppen pflegt. Daß der ebenso charismatische wie polyglotte Schriftgelehrte Israel mit Erfolg gegenüber den Völkern der Welt vertreten kann – und es als Oberrabbiner auch schon vorexerziert hat –, wird nicht bestritten. Auf der anderen Seite werden aber Bedenken laut. Da der orthodoxe Rabbiner die Legitimität der konservativen und reformierten Strömung des Judentums verneine, drohte ein Präsident Lau das Verhältnis zur Diaspora zu belasten.
Wenn Lau dennoch als Favorit gilt, so liegt das nicht zuletzt an den wenig überzeugenden Gegenkandidaten. Als ein potentieller Herausforderer wird Schimon Peres gehandelt, der bereits vor sechs Jahren antrat, beim Knessetvotum jedoch dem Likud-Kandidaten Katsav unterlag. Indessen gilt Peres mit 83 Jahren als für die siebenjährige Amtsperiode zu alt. Anderen Prätendenten wie dem ehemaligen Knessetpräsidenten Rubi Riwlin (Likud) oder dem ehemaligen Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser (Arbeitspartei) werden keine reellen Chancen eingeräumt. Allerdings ist das Rennen noch lange nicht gelaufen. Einige Stimmen fordern einen unpolitischen Präsidenten. Als Beispiel wird der Name des israelischen Chemikers und Nobelpreisträgers von 2004, Aaron Ciechanover genannt. Die Frauenlobby wiederum sieht die Zeit für eine Präsidentin gekommen.