von Torsten Haselbauer
Wenn es da nicht dieses leidige Trainerproblem gäbe. Dann wäre Assaf Gavron wohl noch optimistischer. Der Kapitän der israelischen Autorennationalmannschaft gibt es nur ungern zu. Dann, nach einigem Zögern, rückt er schließlich doch noch mit der Sprache raus. »Wir haben erst ein Spiel absolviert, aber schon den dritten Trainer«, klagt der Schriftsteller selbstkritisch.
Assaf Gavron, der in diesem Jahr mit seinem politischen Roman »Ein schönes Attentat« auch in Deutschland für Furore sorgte, ist vor dem Länderspiel am kommenden Dienstag gegen Deutschland dennoch nicht bange. Natürlich sei der Gegner viel erfahrener und entspringt »einer der größten Fußballnationen dieser Welt«, wie Gavron fast bewundernd erzählt. Mit Respekt ja, aber ohne Angst werden die israelischen Schriftsteller also in das Match gehen, das in Rishon Lezion ausgetragen wird. »Wir sind jetzt selbstbewusster und vor allem eingespielter als im Hinspiel und werden den Heimvorteil nutzen«, meint Gavron ganz siegessicher. Zwei Tage vorher spielt Israel noch gegen englische Literaten.
Assaf Gavron ist die treibende Kraft der israelischen Autorennationalmannschaft. Das kann man durchaus wörtlich nehmen. Er spielt im Mittelfeld und trägt die Nummer Zehn auf dem Rücken. Gavron macht das Spiel. Auch außerhalb des Feldes lenkt und führt der Romancier sein Team, und das ging ganz schön schnell. Erst vor einem Jahr erhielt Gavron von der deutschen Autorennationalmannschaft einen überraschenden Anruf. »Sie fragten, ob ich nicht eine Mannschaft aufstellen könnte. Die Deutschen suchten nach Gegnern mit ›Bedeutung’ wie Israel oder Iran«, erinnert sich Gavron an die Zeit, als alles anfing mit dem Fußball der Autoren in seinem Land.
Mit unheimlich viel Engagement und Beharrlichkeit machte sich Gavron damals an die Gründung der israelischen Autorennationalmannschaft. Er schrieb unzählige E-Mails an seine Kollegen, er warb unermüdlich auf Lesungen für die Gründung dieser Fußballmannschaft in Israel. »Viele dachten, es sei ein Witz«, erinnert sich Gavron. Doch schließlich, im Februar dieses Jahres, fand sich eine echte Mannschaft zusammen. Rund 15 israelische Schriftsteller der jüngeren Generation, die meisten zwischen 35 und 45 Jahre alt, bilden das Fundament der Elf, die seitdem einmal wöchentlich gemeinsam trainiert. Ein Sponsor zahlte die Kluft. Als Nationaltrikotfarbe wurde Blau gewählt, »weil Weiß schon an Deutschland vergeben war«, so Gavron. Für die kickenden Schreiber aus dem heiligen Land gibt es weder vom israelischen Fußballverband noch von den Regierungsstellen irgendeine Art Hilfe. »Israel ist ein armes Land. Vor allem immer dann, wenn es um die Unterstützung von Sport und Kultur geht«, klagt Gavron, der Schriftsteller und Fußballer.
Israel und Deutschland spielten schnell gegeneinander. Am 6. Mai 2008 in Berlin. Deutschland gewann 4:2. Es war das Länderspieldebüt der israelischen Autoren. »Ein gutes Ergebnis. Weil die Israelis zwei Tore schossen und nicht von uns vorgeführt wurden«, erinnert sich der deutsche Kapitän Moritz Rinke gerne. Deutschland ist immerhin WM-Dritter in der »Writer’s-League« und Israel war bis dahin ein fußballerischer Nobody. Schon am selben Abend, als sich in Berlin die Schriftsteller zu einer gemeinsamen Lesung trafen, regte Rinke ein Rückspiel an, was nun am kommenden Dienstag ausgetragen wird.
Auch in Israel wird, wie in Berlin, nach dem Fußball wieder viel gelesen. Das Tel Aviver Goethe-Institut hat das organisiert. »Aber keine Fußballliteratur«, wie Rinke sagt. »Fußballlyrik halte ich in Tel Aviv für unangemessen, nicht ernsthaft genug«, erklärt Rinke. Er hat sich entschieden, einen Text über seine Reise in die West Bank vorzutragen. Die anderen deutschen Autoren haben etwas über ihr Israelbild aufgeschrieben und tragen das im Tmuna-Theater von Tel Aviv vor.
Die Israelis werden ebenfalls auf Fußballliteratur verzichten. Jedoch aus ganz anderen Gründen. »Weil es bei uns kaum welche gibt«, so Gavron. Erst in diesem Jahr haben die Schriftsteller eine erste, kleine Fußballanthologie in den Buchhandel gebracht. Mordi Alon hat das Buch verlegt. Kein Wunder, er nämlich hütet das Tor des israelischen Autorenteams. Gavrons Geschichte in dem kleinen Sammelband heißt »Renana«. Der Titel ist nicht zufällig gewählt. So hieß die Spielerfrau eines großen Stars in den Fußballkinderbüchern im Israel der 70er-Jahre, die übersetzt »Die jungen Sportler« hießen. »Das waren Bücher«, erinnert sich Gavron, »in denen die israelischen Teams immer gegen die Araber oder die kommunistischen Länder gewannen.«
Das war die Zeit, als Gavron als Straßenfußballer in Jerusalem kickte. Jahre, in denen ihn das jordanische Fernsehen zum Dortmund-Fan machte. »Die Jordanier sendeten jeden Freitag ein altes Spiel des BVB«, erinnert sich Gavron, der dann immer vor dem Fernseher saß. Erst später, während seines Studiums in England, löste sich Gavron vom BVB und wandte sich Arsenal zu. Jetzt, nach dem Spiel im Mai in Berlin, interessiere er sich plötzlich für die Hertha, wie er fast ein wenig verwundert eingesteht. Und, noch ein wenig mehr für St. Pauli. »Wegen der braunen Trikots«, sagt Assaf Gavron.