von Gil Yarom
Vier Wochen dauert der Krieg im Norden bereits an, und Israel zahlt einen hohen Preis. Zahllose Menschen sind zu Flüchtlingen im eigenen Land geworden, Hunderttausende sitzen in den Bunkern. Trotzdem hat der Konsens Bestand: Laut Meinungsumfragen befürworten mehr als 80 Prozent der Bevölkerung den Krieg. Selbst die israelische Friedensbewegung meldet sich kaum zu Wort. Nur einige kleinere Gruppen, allen voran der von Uri Avneri geführte Friedensblock, sprechen sich offen gegen den Krieg im Libanon aus. Doch die Demonstrationen, die Avneri jedes Wochenende in Tel Aviv organisiert, sind schlecht besucht.
»Dies ist ein Krieg ohne ein klar definiertes Ziel, das dazu noch alle zwei Stunden geändert wird«, erklärt Avneri seine Opposition zu der Militäraktion im Libanon. Argumentiert Avneri normalerweise auf moralischer Ebene gegen die Unterdrückung der Palästinenser, ist im Falle des zweiten Libanonkriegs die Mehrheit seiner Argumente taktischer Natur. »Die abschreckende Wirkung der Armee ist durch den Krieg völlig vernichtet worden. Der Jom-Kippur-Krieg 1973, in dem wir gegen zwei reguläre arabische Armeen kämpften, dauerte nur 20 Tage. Hisbollah hält schon 27 Tage lang aus und ist nicht gebrochen. Die Armee hat versagt.« Avneri bezeichnet die Absicht des Premiers Ehud Olmert, im Nahen Osten eine neue Weltordnung einführen zu wollen, als »idiotisch«. »Wir hätten maximal zwei Hisbollahkämpfer entführen sollen, um unsere entführten Soldaten freizupressen. Aber hunderttausende Libanesen zu Flüchtlingen zu machen und ihr Land zu zerstören, ist völlig unmoralisch.«
Vor allem mit seinen moralischen Argumenten befindet Avneri sich weitab der öffentlichen Meinung. »Dieser Krieg ist zwar gerechtfertigt«, sagt die Knessetabgeordnete Zahava Galon von der linken Meretz-Partei, eine der wenigen jüdischen Parlamentarier, die sich öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen haben. Das heiße aber noch lange nicht, daß es klug sei, ihn weiter fortzuführen. »Wir hätten zuerst ein Ultimatum stellen sollen. Olmert hat die diplomatischen Optionen nicht ausgeschöpft«, so Galon. Sie bedauert die Stille im Friedenslager, berichtet aber von verhaltener Kritik an der Regierung auch aus der Arbeitspartei. »Wir haben einen Verteidigungsminister, der aus der Friedensbewegung kommt. Das hat die Linke in Israel gelähmt«, erklärt Galon.
Yariv Oppenheimer, Sprecher von »Peace Now«, einer der größten israelischen Friedensbewegungen, sagt: »Anfangs waren wir instinktiv gegen den Krieg. Aber die Situation ist diesmal anders als in den besetzten Gebieten.« Olmert wolle offensichtlich den Libanon nicht besetzen. »Wir haben uns bis auf die international anerkannte Grenze zurückgezogen. Die müssen wir nach dem unprovozierten Angriff der Hisbollah verteidigen«, sagt Oppenheimer. Jossi Beilin, Vorsitzender der linksoppositionellen Meretz-Yachad-Partei, ist als Architekt der Oslo-Verträge und der Genfer Friedensinitiative als Vorreiter der Friedensbewegung in Israel bekannt. Olmerts Angriff auf den Libanon will er aber nicht kritisieren: »Er hatte das Recht, im Libanon zurückzuschlagen«, so Beilin. Der Angriff der Hisbollah entlockt ihm kriegerische Töne, die Olmert gar von rechts überholen: »Der eigentliche Täter befindet sich in Damaskus. Wir hätten nach der Entführung in einer kurzen Militäraktion nur Syrien angreifen sollen«, so Beilin.
Die Kritik der Israelis konzentriert sich auf die Heeresleitung. Ihr wird die Verantwortung dafür gegeben, daß Israel einen Krieg führt, der länger andauert als jeder andere in der Geschichte des Staates, dafür aber wenige Erfolge vorzuweisen hat. Trotzdem betrachten die meisten den Waffengang als unausweichlich. Viele Reservisten haben sich unaufgerufen bei ihren Kampfeinheiten gemeldet, Wehrdienstverweigerer bleiben Einzelfälle. Die Israelis sehen den Krieg als notwendiges Opfer, das ihnen von einer extremistischen islamistischen Terrororganisation aufgezwungen wurde. Viele unterstützen die Logik Olmerts, der behauptet, es sei besser, der Gefahr der Hisbollah jetzt entgegenzutreten, anstatt später gegen noch tödlichere Waffen angehen zu müssen. »Unsere Kritik an den Aktionen der Regierung bleibt lediglich taktischer Art, ideologisch stehen wir hinter der Armee«, erklärt Oppenheimer.