von Natan Sznaider
In der amerikanischen Einstellung gegenüber Israel scheint sich ein Wandel abzuzeichnen. Möglich, dass Israel den Preis für das amerikanische Debakel im Irak bezahlen wird. Die ersten Anzeichen dafür sind schon sichtbar. Noch sind die USA Israels wichtigster Verbündeter. Politisch ist auf die USA Verlass, gerade auch dann, wenn die Europäer Druck auf Israel ausüben. Amerika gilt als einzig verlässlicher Freund Israels in einem Meer von Feinden. Und der fast schon missionarisch anmutende Demokratisierungsimpuls der USA hat Juden innerhalb und außerhalb Israels schon immer genützt. In den Augen der Feinde Israels verschmelzen die beiden Länder zu einem mythologischen Feindbild. Beide verbindet daher mehr als rein interessengetriebene Realpolitik.
Nun steht das amerikanisch-israelische Bündnis zur Disposition. Die Angriffe treffen den wundesten Punkt amerikanischer Innen- und Außenpolitik: Handeln die Fürsprecher Israels im Interesse der USA oder sind sie Agenten einer fremden Macht? Die »israelische Lobby« hat sich ganz klar für den Krieg im Irak eingesetzt, und es dieser Krieg, der in den derzeitigen politischen Debatten zur Gretchenfrage wird. Politiker, die sich vor Jahren für den Krieg ausgesprochen haben, müssen sich jetzt für ihre Haltung rechtfertigen. Die »Israellobby« wird heute als Kriegshetzer eingeschätzt. Solche Stimmen werden auch gerade unter amerikanischen Juden immer lauter, die traditionell liberal, also linksliberal sind und sich von der Bush-Regierung nicht vereinnahmen lassen wollen. Die »Israellobby« schlägt denn auch zurück, und jüdische Kritiker (wie Tony Judt und George Soros) werden als Antisemiten verurteilt.
Lobbypolitik gehört in den USA zum normalen politischen Alltag. Hier geht es aber um mehr. Was vor genau einem Jahr mit einem Papier der beiden renommierten Politologen John Mersheimer und Stephen Walt begann (The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy) gehört heute schon zum guten politischen Ton in Washington. Die beiden Autoren behaupteten, dass die USA ihre eigenen politischen Interessen den Sicherheitsinteressen Israels unterordnen, und fordern, von dem Gedanken Abschied zu nehmen, dass israelische und amerikanische Interessen deckungsgleich seien. Auch wird der Vorwurf immer lauter, dass die USA für Israel in den Irakkrieg gezogen seien. Und man hört immer mehr Stimmen, die sich für eine Distanzierung der amerikanischen Politik von Israel aussprechen. Zbigniew Brzezinski, ehemaliger US-Sicherheitsberater und immer noch sehr einflussreich, meint, dass die amerikanische Politik zu sehr von israelischen Interessen bestimmt wird. Und der ehemalige Präsident Jimmy Carter vergleicht in seinem jüngsten Buch die israelische Politik in den besetzten Gebieten mit der Apartheid. Wichtige Publikationen wie die New York Times, in der kürzlich Israel von Nicholas Kristof angegriffen wurde, und ein längerer Artikel von George Soros in der New York Review of Books weisen in die gleiche Richtung.
Darin fordert Soros, dass Israel und die USA mit der Hamas verhandeln sollen. Ferner sollen Israel und die USA den saudiarabischen Friedensplan aufnehmen. Soros sieht zwar ein, dass eine israelische Regierung sich nicht auf diesen Plan einlassen will, obwohl er es für politisch unklug hält. Aber regelrecht aufgebracht ist er darüber, dass die amerikanische Außenpolitik sich angeblich zu sehr vom AIPAC (The American Israel Public Affairs Committee) beeinflussen lässt. Er sieht einen Zusammenhang zwischen AIPAC und der neokonser- vativen Bewegung, die nach Ansicht vieler Amerikaner dafür verantwortlich ist, die USA in einen aussichtslosen Krieg geführt zu haben. AIPAC und die Neocons hätten der Regierung eingeredet, dass die Interessen der USA und Israel deckungsgleich seien.
Soros steht stellvertretend für eine neue Post-Irak-Strömung im politischen und intellektuellen Milieu der USA, die sich von einer ideologisch geleiteten Außenpolitik verabschieden und wieder altmodische Interessenpolitik betreiben will. Das Bündnis zwischen den Neocons und AIPAC habe Amerika geschadet. Das scheint der neue Konsens zu sein.