von Marina Maisel
Mal traurig, mal lustig, das war die Atmosphäre im Hubert-Burda-Saal. Präsentiert wurden Ausschnitte aus Stücken des Jüdischen Kulturbundes, die noch in den 30-er Jahren von den zunehmend mehr ausgegrenzten jüdischen Kabarettisten vornehmlich in Berlin und den Niederlanden aufgeführt wurden. Traurige Betretenheit herrschte an diesem Abend vor. Denn es ging um ein tragisches Kapitel nicht nur für eine Reihe von damals namhaften Kabarettisten, sondern für das ganze Genre. Diese Aufführung »Zores haben wir genug… Gelächter am Abgrund – Kabarettistisches im Jüdischen Kulturbund« war gleichzeitig der Auftakt zu einer mehrteiligen Kabarettreihe des Kulturzentrums der Israelitischen Kultusgemeinde München anlässlich dessen 25-jährigen Geburtstages im kommenden Frühjahr.
Präsentiert wurde der Abend vom großen deutschen Kabarettkenner Volker Kühn in zweierlei Funktion. Als Sprecher, der das Publikum durch die Geschichte des Jüdischen Kulturbundes im Dritten Reich führte. Und als Regisseur, der die Rezitationen der drei Schauspieler Katherina Lange, Barbara Ferun und Ilja Richter, inszenierte. Unterstützt und getragen wurden die Akteure auf der Bühne durch Nikolai Orloff am Klavier und Dragan Radosavievich an der Violine.
Ellen Presser, die Leiterin des Kulturzentrums IKG, verwies in ihrem Einleitungswort darauf, dass dieser erste Kabarettabend gleichzeitig das Ende der außergewöhnlichen Ausstellung »Transit Amsterdam. Deutsche Künstler im Exil 1933 bis 1945« in der Monacensia markiert. Als großes Verdienst von Volker Kühn bezeichnet sie dessen Forschung zu jüdischen Songtexten des Kulturbundes in der Londoner Wiener Library. Besonders freute sich Presser, im Publikum Hans Margules zu begrüßen, der damals der Theatergruppe im holländischen Durchgangslager Westerbork angehörte.
Angestoßen wurde dieser Abend Anfang der 90er Jahre, als der Publizist Eike Geisel und der Journalist Henryk M. Broder eine Ausstellung über den Jüdischen Kulturbund vorbereiteten. Im Zuge dieser Arbeiten baten sie Volker Kühn zum Thema Kabarett im Jüdischen Kulturbund etwas beizutragen. Die Recherchen des Kabaretthistorikers fördern die Schicksale damals populärer Kabarettisten zutage: Max Ehrlich und Willy Rosen, Paul Morgan und Fritz Grünbaum, Camilla Spira und Friedrich Holländer, um nur einige der vielen Namen zu nennen. All dies und noch mehr erfährt das Publikum in den Kommentaren Volker Kühns, die zu den einzelnen Kabarettnummern hinführen, in denen sich dann Frau Fröhlich und Frau Schön ereifern, ein Berliner Wunderkind sein blaues Wunder erlebt oder über die Unvereinbarkeit der Begriffe jüdisch und Kabarett spekuliert wird.
Eine Berliner Kleinkunstbühne, die von 1935 an im Jüdischen Kulturbund existierte, war die letzte Bastion für hintersinnige, vorsichtige Satire in der Nazi-Zeit – sie aber stand unter strenger SS-Kontrolle. Hier wurden die heiteren Nummern gespielt, die später auch in den KZs vor SS-Schergen und Mithäftlingen aufgeführt wurden. Sie sollten hier wie dort von der Wirklichkeit des trüben faschistischen Alltags ablenken und den jüdischen Zuhörern Hoffnung trotz allem machen.
Auch wenn es für die Juden damals nichts zu lachen gab, blieb das Bedürfnis nach Freude und Glück ungebrochen. Das belegt die Anekdote, die der Conferencier und damalige Leiter der Kleinkunstbühne, Max Ehrlich erzählte, nach der ein Zuschauer zu ihm gekommen sei mit der Bitte, doch ja »recht komisch« zu sein, denn »Zores haben wir genug...«.