von Jan Popp-Sewing
Wenn die Globalisierung ein Symbol hätte, dann wäre es der Container. Zehntausende dieser Stahlbehälter schippern über die Weltmeere und verbinden Kontinente. Menschen leben wochen- und monatelang in ihnen, um sich filmen und beobachten zu lassen und das große Geld zu verdienen. Und andere nutzen sie fürs Theater.
16 dieser Container sind dem internationalen Warenkreislauf derzeit entzogen und bilden auf dem Vorplatz des Düsseldorfer Schauspielhauses eine Art globales Jugenddorf mit dem Namen Jeruville. Der Anklang an Jerusalem ist kein Zufall, schließlich steckt dahinter ein Theaterprojekt von 35 christlichen, moslemischen und jüdischen Kindern und Jugendlichen. Jeder Container bildet eine eigene kleine Welt in Jeruville. Da gibt es ganz normale, behaglich eingerichtete »Wohnungen«, in denen die Akteure über Jugendprobleme sprechen, aber auch einen Raum, in dem sie Seelen (Namen auf kleinen Zettelchen) sortieren und »reinigen«.
Die Container stehen, das Leben in Jeruville hat begonnen: Bislang jedoch nur zur Probe. Zuschauen – was ausdrücklich erwünscht ist – kann man auf dem Gustaf-Gründgens-Platz freitags ab 15.30 Uhr. Samstags und sonntags sind die Zeiten variabel. Erstmals aufgeführt wird das Ergebnis dann am Donnerstag, 18. Juni, ab 19.30 Uhr, acht weitere Termine folgen bis zum 28. Juni. Eine durchgehende Handlung dürfen Besucher allerdings nicht erwarten. Jeweils drei Szenen spielen gleichzeitig. Die Gäste entscheiden selbst, was sie sich anschauen. In Jeruville laufen die Zuschauer häufig hin und her.
Die Entwürfe für Szenen und Container-Ausstattung haben die Jugendlichen seit Ende 2008 zusammen mit einer Theaterpädagogin, einer Dramaturgin, einer Bühnenbildnerin und einer Kostümbildnerin erarbeitet. Sie sollten dabei ihre Alltagssorgen, aber auch ihre Fantasien und Sehnsüchte szenisch umsetzen. Das Ziel ist hoch gesteckt: »Jeruville soll das Lebenskonzept der jungen Generation vorstellen«, sagt Projektleiterin Nina Rehberg von der Diakonie Düsseldorf.
Die Zusammenarbeit der jungen Akteure aus den drei Religionen verlaufe reibungslos, die Vorbereitungen fanden unter anderem im Schauspielhaus und in der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf statt: »Die Jugendlichen gehen um.« In den Theaterszenen spielen in der Regel Darsteller aller Religionen zusammen, doch ihr Inhalt dreht sich nicht in erster Linie um christlich-jüdisch-moslimische Konflikte, sondern ums Diskutieren und Entdecken von Gemeinsamkeiten. Ohne erhobenen Zeigefinger, wohlgemerkt.
Ein jüdischer und ein muslimischer Junge führen beispielsweise ein Streitgespräch über das Thema Waffen und bemerken dabei, dass sie zumindest in einem Punkt ein ähnliches Schicksal verbindet: Beide sind Einwanderer Der eine kommt aus Russland, der andere aus Marokko.
Bislang beteiligen sich vier schauspiel- begeisterte jüdische Jugendliche. Inna Umanska, Leiterin der Kulturakademie der jüdischen Gemeinde, hofft aber darauf, dass am Ende zehn Jugendliche aus der Gemeinde dabei sind: »Das Thema passt gut zu dem, was wir in unseren Bereichen Theater und Medien anbieten.«
Jeruville ist ein Projekt des Jugendmigrationsdienstes der Düsseldorfer Diakonie in Kooperation mit der jüdischen Kulturakademie. Finanziert wird es von Dia- konie, der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt und einem Sponsor.
www.jeruville.de