Macht

Kümmert euch selbst!

von Hannes Stein

Nachdem die Römer den ersten und den zweiten Aufstand der Juden in Israel brutal niedergeschlagen, den Tempel zerstört, Jerusalem zu einer »judenfreien« Stadt gemacht und das Land in Palästina umbenannt hatten, begannen die Juden ein ein- zigartiges politisches Experiment. Sie lebten fortan als Nation weiter, ohne dass sie ein Territorium, eine Landessprache oder eine einheitliche Regierung gehabt hätten. Dies gelang ihnen, weil sie an ihrem Bund mit Gott festhielten, Wert auf Bildung und Erziehung legten, in der Diaspora geschickt mit den Autoritäten verhandelten, denen sie unterworfen waren, sich als Mittelsleute unentbehrlich machten, Patrioten ihrer jeweiligen Vaterländer wurden. Von innen gesehen kann man nur sagen: Das Experiment war allen Verfolgungen und Pogromen zum Trotz ein Erfolg. Am Jisrael chai! Das jüdische Volk überlebte.
Von außen betrachtet sieht die Geschichte allerdings anders aus: Die Juden waren eine Minderheit, die zu schlagen sich eigentlich immer lohnte – und bis zur Gründung des Staates Israel musste niemand für solche Schläge einen politischen Preis bezahlen. Das Schlimmste: Aufgrund ihrer Diaspora-Erfahrung entwickelten die Juden ein neurotisches Verhältnis zur Macht – dies schreibt Ruth Wisse, die an der Universität Harvard Jiddisch unterrichtet, in ihrem viel beachteten Buch Jews and Power. Juden scheuen sich, Macht anzuwenden und ihre Interessen durchzusetzen. Diese neurotische Scheu reichte bis tief in die zionistische Bewegung hinein. So glaubte Theodor Herzl in seinem Roman Altneuland noch, die Juden würden in ihrem Nationalstaat ohne Armee auskommen, da tout le monde sie ungeheuer lieben werde. Bis heute tun Juden sich mit dem alltäglichen Geschäft des Machiavellismus schwer: Es gibt zwar hervorragende jüdische Ärzte, Rechtsanwälte, Menschenrechtsaktivisten, Journalisten und Schriftsteller. Ein Viertel aller Nobelpreise ging an Juden. Aber wo bleiben die großartigen jüdischen Politiker? Wo bleibt – so fragte Ruth Wisse vor Kurzem in einem Vortrag am Jewish Theological Seminary in New York – die angemessen harte Gegenreaktion angesichts der Tatsache, dass der islamische Antisemitismus immer stärker wird? »Ich weigere mich, es mir behaglich in der Rolle dessen einzurichten, der gehasst wird«, sagte Ruth Wisse, eine kleine, resolute und sehr unaufgeregte Dame.
In Amerika hätten Juden viele Möglichkeiten, sich zur Wehr zu setzen. »Aipac« etwa – die von den Herren Walt und Mearsheimer mit Inbrunst verteufelte »Israel Lobby« – sei eine Organisation, für die es in der jüdischen Geschichte kein Beispiel gebe. »Warum erinnern wir uns eigentlich an den Holocaust?«, fragte Ruth Wisse. Gewiss, man könne Monumente für die Opfer errichten und ihrer mit Tränen gedenken. Aber der einzige Sinn dieses Gedenkens sei doch, den Staat Israel zu verteidigen. »Unsere Generation wird von der Geschichte – und ich glaube, auch von Gott – einmal danach beurteilt werden, ob es ihr gelungen ist, das Überleben von Israel sicherzustellen.«
Ruth Wisse bricht also nachdrücklich mit der guten alten jüdischen Tradition, die Schuld erst einmal bei sich selber zu suchen. Fragt man einen frommen Juden, warum der erste Tempel zerstört wurde, dann wird er antworten: »Wegen Götzendienst«. Der zweite Tempel: »Wegen sinnlosem Hass der Juden untereinander«.
Ruth Wisse aber würde am liebsten in Großbuchstaben über sämtliche jüdischen Quellen schreiben: »Rom war der Täter!« Sie glaubt nicht, sagt sie, dass Gott während des Holocaust stumm war. Seine Stimme habe laut und deutlich gesprochen: »Ihr müsst euch um euch selber kümmern.«

Erfurt

Israelischer Botschafter besucht Thüringen

Botschafter Ron Prosor wird am Montag zu seinem Antrittsbesuch in Thüringen erwartet

 15.03.2025

Berlin

Antisemitische Farbschmiererei an Hauswand in Berlin-Mitte

Die Gedenktafel in der Max-Beer-Straße ist Siegfried Lehmann (1892-1958) gewidmet

 14.03.2025

Berlin

Bundesregierung begeht Gedenktag für Opfer von Terror

Im Auswärtigen Amt werden dazu Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erwartet

 11.03.2025

München

Mann soll Plagiat wegen Obduktion seiner toten Mutter inszeniert haben

War es ein irrer Racheplan? Ein Mann soll mit der Fälschung eines Buches einem Rechtsmediziner geschadet haben. Seine Verteidigung fordert Freispruch – und auch er selbst äußert sich sehr ausführlich.

 07.03.2025

Hamburg

Wähler lassen AfD rechts liegen, Zeichen stehen auf Rot-Grün

In Hamburg hat Bürgermeister Tschentscher (SPD) weiterhin den Hut auf. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, bleibt aber vergleichsweise schwach

von Markus Klemm, Martin Fischer  03.03.2025

Israel

Tausende Israelis demonstrieren für die Freilassung der Geiseln

Die erste Phase der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas endet ohne eine Vereinbarung über eine Fortsetzung

 02.03.2025

Berlin

Geräuschlose Premiere: Schwarz-Rot sondiert still und leise

Möglichst bis Ostern soll die neue Bundesregierung stehen. Kein Selbstläufer, denn im Wahlkampf gab es viele Verletzungen. Wie problematisch diese sind, zeigt eine Umfrage in der SPD

von Marco Hadem  28.02.2025

Berlin

Entscheidung über Samidoun-Verbot dieses Jahr

Der Verein Samidoun, das Islamische Zentrum Hamburg, »Compact« - das Bundesinnenministerium hatte zuletzt eine Reihe von Vereinsverboten erlassen. Über einige wird demnächst entschieden

 26.02.2025

Berlin

Zentralrat der Muslime verurteilt Attacke am Holocaust-Mahnmal         

Am Freitag wurde ein Mann am Holocaust-Mahnmal in Berlin Opfer einer Messerattacke. Ermittler gehen von einem antisemitischen Hintergrund aus

 24.02.2025