von Elke Wittich
Nach den Feiertagen auf die Waage zu steigen, ist meist keine schöne Erfahrung. Manchmal verhindert eine ausgewachsene Erkältung jedoch die deprimierende Wiegerei. Speckröllchen plus Husten, Schnupfen, Heiserkeit sind oft die undankbaren Nebenwirkungen der Hohen Feiertage und Sukkotwoche.
Aber: Nein, über starke Erkältung habe nach Sukkot eigentlich kein Gemeindemitglied geklagt, sagt Arno Hamburger, Vorsitzender in Nürnberg. Früher, erinnert sich der bald 86-Jährige, habe der Volksmund gewusst, dass »an jüdischen Feiertagen das Wetter immer schön ist.« Und so war es auch in diesem Jahr in Franken, die Gemeinde war allerdings auf Regen vorbereitet, denn man verfügt über ein Rolldach für die Sukka, das die Besucher vorm Nasswerden schützt. Zu viel Essen war für Hamburger ebenfalls kein Thema. »Die Feiertage sind für Funktionäre immer sehr anstrengend, eine lange, schwere, freudige Zeit.« Und für den Rest gelte: »Immer einen kühlen Kopf und warme Füße bewahren!«
Dieses Motto hatte man sich wohl auch in Flensburg zu eigen gemacht. Die mit 70 Mitgliedern eher kleine Gemeinde hat keinen eigenen Rabbiner, umso dankbarer ist man über die im hohen Norden praktizierte Nachbarschaftshilfe. »Wir waren zu den Feiertagen von der Lübecker Gemeinde eingeladen worden«, erzählt der Flensburger Vorsitzende Josef Smolansky. Alles sei wunderbar gewesen. »Wir haben ganz bestimmt nicht unmäßig viel gegessen und getrunken, wir sind ältere Leute und sehr bescheiden, wir freuen uns einfach an den Feierlichkeiten.«
Auch in Halle waren die Feiertage »sehr schön«, wie der Vorsitzende Max Privorozki erzählt. Dabei räumt er gleich mit einem gängigen deutschen Wettervorurteil auf: »Die Leute hier denken immer, dass die ehemalige Sowjetunion klimatisch so eine Art riesiges Sibirien ist. Das ist aber gar nicht wahr, ich komme beispielsweise aus der Ukraine und finde es in Deutschland doch auch ziemlich kalt.«
Das Thema Sukkot und Erkältungen kennt Rabbiner Joel Berger in Stuttgart aus eigener Erfahrung. Jahrelang, erzählt er, habe er sich nach den Feiertagen mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit geplagt, nun packe er immer einen Extra-Pullover ein. Das Wort eines großen chassidischen Rabbiners, wonach der, der merkt, dass es in die Sukka hineinregnet, nicht würdig sei, darin zu sitzen, bedeute ja nicht automatisch, dass man frieren müsse, sagt Berger: »Es ist schließlich auch ein Gebot der Tora, auf sich aufzupassen.« Auch auf andere, und so werden diejenigen, die mit Berger in einer Sukka sitzen, auch jedes Mal gebeten, sich etwas Warmes überzuziehen. Nichts soll schließlich die angenehme Erfahrung, gemeinsam in einer Laubhütte zu sitzen, schmälern.
Bleibt das Problem mit den lästigen Pfunden. Kann man denen nicht vorbeugen? »Diät? An den Feiertagen? Gott behüte, man soll sich an alle festlichen Gebote und Gebräuche und Speisen halten«, sagt der Rabbiner und fügt hinzu, dass ein Feiertag ein unvergessliches Erlebnis sein soll und das Essen gehöre eben dazu. Man müsse ja nicht jede Mahlzeit voll auskos- ten. Wie immer sorge ein wenig Beherrschung für Genuss ohne spätere Reue.
»Die traditionellen Speisen müssen eben sein«, pflichtet Noemi Berger ihrem Mann bei, auch wenn die es in sich haben: »Zimmes enthält natürlich viel Zucker, und Hühnersuppe schmeckt doch nur dann gut, wenn auch ein paar Fettaugen darin schwimmen. Da reicht es eben, wenn man nur die Hälfte isst, um nicht zuzunehmen.«