von Zlatan Alihodzic
Aleksander Chraga lebt in zwei Welten. In der einen wird die Bochumer Synagoge gebaut, in der anderen ist sie schon fertig. Chraga durchstreift beide gleichzeitig, weicht in einem Moment Bauarbeitern aus und balanciert über Holzplanken, sieht im nächsten Moment Kinder auf der Terrasse spielen oder Gäste im Cafe sitzen. Fast jeden Tag ist der Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen auf der Baustelle und beobachtet den Fortschritt der Arbeiten. »Es läuft ganz gut«, sagt er.
Die Anhöhe flacht auf den letzten Metern in Richtung der Baustelle ab. In der Nähe des Stadtparks wehen sonst die Stimmen spielender Kinder durch die Straßen, Schulklassen bevölkern auf dem Weg zum Planetarium die Bürgersteige. Doch im Moment sind es Lkw und Bagger, die im Viertel den Ton angeben. »Seit 1996 veranstaltet unsere Gemeinde an jedem Schabbat einen Gottesdienst, und natürlich auch an allen Feiertagen. Aber das Provisorium ist dafür zu klein. Wir wollen eine richtige Synagoge«, sagt Aleksander Chraga selbstbewusst.
Das Bauwerk in seinem Rücken unterstreicht die Aussage. Neben dem runden, dem Panzer einer Schildkröte ähnelndem Planetarium haben die Synagoge und das Gemeindezentrum beeindruckend Form angenommen. Zu Chanukka sollen sie eröffnet werden. Eckig, in manchen Elementen kubisch, stehen die untereinander verbundenen Gebäudeteile auf einem kleinen Hügel. Die Arbeiten an der Fassade sind auf der östlichen und südlichen Seite bereits weit fortgeschritten. »Die Steine dafür kommen aus Israel«, erklärt Chraga, aber das ist kein purer Luxus. »Wir können uns das leisten, weil das Unternehmen einen Zugang zum europäischen Markt sucht und uns einen guten Preis gemacht hat«, erklärt der Geschäftsführer. »Und uns freut, dass wir dadurch eine Verbindung nach Israel haben. Und außerdem sieht es gut aus.« In die Reihen der hellen mischen sich ab einer Höhe von rund sechs Metern graue Steine und deuten zigfach die Umrisse des Davidsterns an. Kleine Fenster lassen Licht in die Synagoge einfallen, die zwar noch mit Baugerüsten zugestellt ist, aber trotzdem schon ihre Schönheit andeuten kann. Hoch oben, knapp unter der Lichtkuppel, spielt ein altes Radio. Der ganze Raum füllt sich mit klarer Musik. »Die Akustik ist jetzt schon super«, sagt Chraga lachend.
Vor fünf Jahren begannen die konkreten Gespräche mit der Stadt Bochum, im Juni 2006 war Baubeginn. In der Zwischenzeit einigte man sich auf eine Drittelfinanzierung aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt und der Jüdischen Gemeinde. Auch die anfänglich skeptischen Nachbarn galt es zu beschwichtigen. »Sie fragten sich, was mit ihnen passiert, wenn es hier explodiert«, sagt Aleksander Chraga mit halb geöffnetem Mund. »Aber das ist beigelegt.« Doch auch innerhalb der Gemeinde gab es Ängste. Die Landeszentrale der NPD hat ihren Sitz in Bochum und organisierte eine Demonstration, die sich gegen den Bau der Synagoge richtete. »Aber es gab eine Gegendemonstration mit mehreren Tausend Menschen. Wenn man sieht, dass die Bürger uns unterstützen, fühlt man sich sicherer«, sagt Chraga. Verstecken möchte sich die Gemeinde hinter den dicken Mauern der Synagoge nicht. In das Gemeindezentrum soll ein Café oder ein kleines Restaurant integriert werden, geöffnet für alle Besucher. »Schon bei den Planungen haben wir nicht einfach im kleinen Kreis gemacht, was wir wollten. Es soll ein großer Kreis von Menschen in die Gemeinde einbezogen werden, betont der Geschäftsführer.
Wenn Aleksander Chraga durch die Baustelle geht und von den zukünftigen Einrichtungen erzählt, bemerkt er jede schadhafte Stelle an der Wand und besteht trotz der Arbeiten auf saubere Böden, und die Treppe muss von Laub befreit werden. Chraga ist der Ansprechpartner für die Bauarbeiter, und die interessieren nicht nur ihre nächsten Aufgaben. »Es gab schon die Frage, warum Juden eine Kippa tragen, oder welche Feiertage wir haben und was man überhaupt in einer Synagoge macht«, erzählt Chraga. Antworten darauf gibt er gerne, denn das, was für den Neubau der Synagoge gilt, überträgt Chraga auch in den zwischenmenschlichen Umgang: »Wir wollen keinen Bunker haben.«