Nach einem offenen Brief von Berliner Hochschuldozenten zur Unterstützung anti-israelischer Proteste wegen des Nahost-Krieges kommt scharfe Kritik aus der Politik und von der Hochschulrektorenkonferenz.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagte der »Bild«-Zeitung, das Statement mache sie fassungslos. Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden Universitätsbesetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost. Der Brief war eine Reaktion auf die Räumung eines Protestcamps an der Freien Universität Berlin (FU) durch die Polizei am Dienstag.
Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Walter Rosenthal, sagte dem Berliner »Tagesspiegel«, die Unterzeichner würden den »destruktiven Charakter der jüngsten Proteste« verkennen.
Strafrechtlich relevant
»Hochschulen sind keine Orte, an denen strafrechtlich relevante, antisemitische Aussagen oder Taten geduldet werden«, betonte der Mediziner und Pharmakologe, der von 2014 bis 2023 Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena war. Die terroristischen Angriffe der Hamas vom 7. Oktober 2023 dürften dort nicht geleugnet und das Existenzrecht Israels nicht infrage gestellt werden.
Rosenthal betonte, sobald Regeln und Grundsätze einer wertschätzenden akademischen Debatte nicht eingehalten werden, der reguläre Hochschulbetrieb beeinträchtigt und eine rein politische Eskalation betrieben werde, übten Hochschulen »sehr berechtigt ihr Hausrecht aus und erstatten, wo nötig, Anzeige«.
An den antiisraelischen und antisemitischen Protesten am Dienstag in Berlin beteiligten sich laut Polizei bis zu 200 Personen. Rund 80 Personen wurde nach Polizeiangaben vorübergehend festgenommen und zahlreiche Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Auch in Leipzig kam es am Dienstag zu entsprechenden Protesten an der Universität. Sie wurden von der Polizei aufgelöst und Ermittlungsverfahren eingeleitet.
»Gewaltfreie Lösung«
In dem von mehr als 200 Lehrkräften verschiedener Hochschulen unterzeichneten Brief dazu heißt es unter anderem, die Dringlichkeit des Anliegens der Studierenden sei angesichts der humanitären Krise im Gaza-Streifen nachvollziehbar. Grundrechtlich geschützter Protest müsse nicht auf Dialog ausgerichtet sein.
Umgekehrt gehöre es zu den Pflichten der Universitätsleitung, »solange wie möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben«. Diese Pflicht habe das FU-Präsidium verletzt.
Auf Polizeieinsätze gegen Studenten und weitere strafrechtliche Verfolgung müsse verzichtet werden, heißt es weiter in dem Brief, der unter anderem von den Professorinnen Naika Foroutan und Rahel Jaeggi von der Humboldt-Universität unterzeichnet wurde.
Nicht erwähnt
Der Hamas-Terrorangriff auf Israel, bei dem 1200 ermordet wurden, und die Verschleppung zahlreicher Geiseln als Auslöser der aktuellen Lage im Gaza-Streifen werden dort nicht erwähnt.
Stark-Watzinger sagte der »Bild«-Zeitung, dass Dozenten die Proteste unterstützten, sei »eine neue Qualität«. Gerade sie müssten auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Es sei »richtig, wenn Hochschulleitungen bei Antisemitismus und Gewalt schnell handeln und die Polizei einschalten«.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und weitere Politiker kritisierten den Brief. Wegner sagte »Bild«, für »die Verfasser dieses Pamphlets« habe er »überhaupt kein Verständnis«. epd/ja