von Elke Wittich
Es ist doch immer so: Jeder findet die Idee gut, doch an der Umsetzung scheitert es. So zum Beispiel ist es mit der stärkeren Vernetzung der jüdischen Gemeinden. Voneinander zu lernen, gemeinsame Probleme zu besprechen und allgemein Ideen auszutauschen, ist ein viel geäußerter Wunsch – aber meist bleibt es dabei, dass jede Gemeinde für sich arbeitet.
Auch Judith Neuwald-Tasbach, Gemeindevorsitzende in Gelsenkirchen, wünscht sich eine stärkere Vernetzung. »Man wird ja nicht in eine Gemeindeleitung hineingeboren«, sagt sie, und regt gemeinsame Workshops an, bei denen die Vorsitzenden oder Geschäftsführer diskutieren können. »Wir haben ja alle ähnliche Probleme, mit denen wir täglich zu tun haben und bei deren Bewältigung wir einander sicher gute Tipps geben könnten. Außerdem könnten kleinere Gemeinden von den Erfahrungen der großen profitieren.«
Denkbare Themen seien beispielsweise die Positionierung in der Öffentlichkeit, Absprachen und Zusammenarbeit bei Veranstaltungen, Internetauftritte oder die Kooperation mit der Polizei. Die Fortbildungsangebote des Zentralrats der Juden seien sehr wichtig, sagt Neuwald-Tasbach, zumal sich dabei immer auch Gelegenheiten ergäben, mit den Vertretern anderer Gemeinden ins Gespräch zu kommen. Auch Sitzungen des Landesverbandes böten Möglichkeiten, über Probleme und Lösungen zu sprechen. »Aber ich wünsche mir darüber hinaus Treffen, bei denen es gezielt um Austausch geht, aus der Praxis für die Praxis. Nicht als Mammut-Workshops, bei denen man acht Tage lang in Klausur geht, sondern regelmäßige eintägige Zusammenkünfte.« Denn, so Neuwald-Tasbach selbstkritisch, im Alltagsstress komme man ja doch nicht dazu, zum Hörer zu greifen und in anderen Gemeinden anzurufen. »Ich mache es ja auch selten, selbst wenn ich es mir vornehme, mal fehlt die Zeit, mal ist man mit anderen Sachen beschäftigt.«
Wäre da nicht ein passwortgeschütztes Forum, zu dem nur Vorstände und Ge- schäftsführer Zutritt haben, eine Lösung?
So sehr er die Möglichkeiten des Internets schätze, den persönlichen Kontakt ziehe er doch vor, sagt Steve Landau von der Ge- meinde Wiesbaden. »Man müsste aber eine Lösung finden, die nicht regelmäßig angeboten wird, sondern auch die jeweiligen Probleme widerspiegelt. Denn das, was kleine Gemeinden beschäftigt, ist meist etwas ganz anderes als das, was für große Gemeinden ein Problem ist.«
Michael Rubinstein, Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde Duisburg, ist ein großer Befürworter von Vernetzungen. »Meiner Meinung nach führt auf lange Sicht kein Weg daran vorbei«, sagt er und betont, dass eine engere Zusammenarbeit durch Synergieeffekte zu deutlichen Kos- teneinsparungen führen kann.
»Ein zentraler Einkauf benachbarter Ge- meinden für Feiertage wäre ein Beispiel. Des Weiteren könnte es interessant sein, die Dienste von Firmen gemeinsam zu nutzen, etwa ein EDV-Unternehmen, das Datenbanken oder Internetauftritte erstellt. Wenn sich mehrere Gemeinden zusammentäten, könnte man über Preisnachlässe verhandeln.« Und auch im Kulturbereich könne man zusammen mehr erreichen: »Ich würde beispielsweise gern einmal den berühmten israelischen Kantor Dudu Fischer zu einem Konzert verpflichten, aber für eine Gemeinde allein ist das kaum realisierbar. Eine Konzertreise gemeinsam zu organisieren, wäre das durchaus machbar.«
Darüber hinaus müsse die vielbeschworene jüdische Gemeinschaft auch auf institutioneller Ebene widergespiegelt werden, findet Rubinstein und regt an, dass die Zentralwohlfahrtsstelle in jedem Bundesland präsente Landesverbände einrichtet, die vor Ort mit Personal aushelfen. »Kleine Gemeinden können sich keine eigenen Sozialarbeiter leisten, wenn sich allerdings drei zusammentäten, wäre viel erreicht.«
Eine stärkere Vernetzung der Gemeinden auf regionaler Ebene mit Hilfe der jeweiligen Landesverbände wäre ebenfalls wünschenswert, so dass beispielsweise Arbeitsgruppen für Geschäftsführer geschaffen werden könnten. Im Bereich Nordrhein habe es bereits einmal ein solches Treffen gegeben, berichtet Rubinstein. Der Workshop viel gebracht. »Jetzt tauschen sie sich regelmäßig telefonisch aus.«
Natürlich, so der 36-Jährige, könne man insbesondere den Älteren keinen Vorwurf machen, dass es mit der Vernetzung noch nicht ganz so klappe und mancher die Notwendigkeit auch nicht sähe. »Aber die Zeiten haben sich geändert und durch die modernen Kommunikationsmöglichkeiten ist vieles einfacher und schneller geworden.« Vor allem für ehrenamtlich Tätige sei der Gedanke an noch mehr Termine möglicherweise nicht gerade verlockend.
Im Kleinen wird die Vernetzung vielerorts bereits in die Tat umgesetzt. So arbeiten die beiden Gemeinden des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Rostock und Schwerin, eng zusammen, erzählt Va- leri Bunimov. Im kulturellen Bereich klappe die Zusammenarbeit gut. »Bei der Sozialarbeit macht jeder seins. Das ist ja auch logisch, denn die jeweiligen Probleme kennt man vor Ort natürlich am besten.«
Rostock und Schwerin teilen sich einen Landesrabbiner. »Allein schon deswegen kommunizieren die Vorsitzenden oft und sprechen sich ab.« Bunimov klingt ein bisschen sehnsüchtig, denn während es früher in seiner ukrainischen Heimatstadt Charkov keine jüdische Gemeinde gab aber keine Synagoge, verhindern heute ganz profane Probleme den Austausch. »Wir haben zum Beispiel auch sehr gute Beziehungen zur Gemeinde in Dessau, aber zu regelmäßigen Besuchen kommt es nicht, weil Dessau einfach zu weit weg ist und wir kein Fahrgeld haben.«
Zu den finanziellen Problemen kommt die demografische Situation. »In der Gemeinde gibt es viele Senioren, um die wir uns natürlich kümmern müssen.« Entsprechend werden in Schwerin Prioritäten gesetzt, »unseren Kräften und Möglichkeiten entsprechend haben Kinder und ältere Leute eben Vorrang. Und da sorgen wir dann dafür, dass sie sich mit den Gleichaltrigen aus Rostock treffen können – das ist dann unsere Art der Vernetzung.«