von Andreas Bock
Wer sich streng an die jüdischen Speisegesetze hält, hat es heute schwer, denn die Produktion von Nahrungsmitteln ist im Vergleich zu früher deutlich komplizierter geworden. Auf einer Konferenz des Brüsseler »Rabbinical Center of Europe« in Budapest haben 80 orthodoxe Rabbiner aus 15 europäischen Ländern und Israel vor allem über Herstellung und Vertrieb koscherer Lebensmittel diskutiert.
»Durch die Globalisierung der Weltwirtschaft ist es deutlich schwieriger geworden, einem Produkt zu bescheinigen, dass es zum Verzehr geeignet ist«, betont Rabbiner Slomo Köves, Gastgeber der Budapester Konferenz. Weil ein großer Teil der Lebensmittel heute industriell hergestellt wird, ist zunächst unklar, wie ein Produkt zusammengesetzt ist. So kann etwa Margarine tierische Fette enthalten, die den jüdischen Speisegesetzen nicht entsprechen, und in einem Kaugummi befindet sich Gelatine, die möglicherweise vom Schwein stammt.
Auch die Tatsache, dass Lebensmittel zunehmend in fernen Ländern produziert werden, erschwert die Einhaltung der Kaschrut. »Inhaltsstoffe einer Margarine kommen zu einem großen Teil aus China. Also müssen auch die dort hergestellten Substanzen untersucht werden«, erklärt Köves.
Von Konferenzen wie dieser in Budapest erhofft sich der 29-Jährige vor allem eine Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Rabbinern, die für die Überprüfung der Lebensmittel zuständig sind. »Hat zum Beispiel ein Rabbiner in Italien ein Produkt bereits untersucht, kann er diese Information an seine Kollegen in anderen Ländern weitergeben, so dass ihnen erspart bleibt, dasselbe Produkt ein weiteres Mal zu untersuchen«, so Köves. In Zukunft soll eine Datenbank dafür entwickelt werden.
In Ungarn, wo immerhin die fünftgrößte jüdische Gemeinde in Europa zu Hause ist, steckt die Aufsicht über koschere Lebensmittel in den Kinderschuhen, und der Markt für koschere Lebensmittel ist im Gegensatz zu westeuropäischen Ländern noch klein. Seit dem Beitritt zur EU 2004 sind Import und Export von koscheren Waren aber deutlich angestiegen. Im südungarischen Szeged stellt eine Lebensmittelfabrik koschere Milchprodukte auch für den französischen und englischen Markt her. Doch die Rabbiner erhoffen sich noch mehr: »Wir würden gerne eine Abteilung gründen, die einzelne Unternehmen aufsucht und ihnen erklärt, dass sich die Produktion von koscheren Lebensmitteln für sie lohnt«, sagt Köves.
Der Anstieg bei der Herstellung koscherer Produkte spiegelt vor allem eine erhöhte Nachfrage wieder. Laut Statistik erhöht sich der weltweite Bedarf an koscheren Produkten jährlich um acht bis zehn Prozent. Nach Angaben der ungarischen Koscherzentrale ernähren sich weltweit etwa 17 Millionen Menschen koscher, doch nur etwa die Hälfte sind Juden. Ansonsten kaufen vor allem Muslime und qualitätsbewusste Verbraucher koschere Lebensmittel. In Ungarn sind es rund 2.000 Menschen, Tendenz steigend. Für den orthodoxen Rabbiner Köves ein Zeichen für eine Rückbesinnung auf traditionelle jüdische Werte.