Einen Laptop, zwei bis drei hellbraune Pappkartons. Mehr braucht Arie Shkolnik für seinen Versandhandel nicht. Das Geschäft des 31-Jährigen heißt kippa.de, er bietet auf seiner Website Kippot an, und seine Geschäftsräume sind keine Büros, sondern es ist nur sein Wohnzimmer.
Arie Shkolnik trägt einen Dreitagebart, Jeans und ein lässiges Hemd. Damit sieht er eher aus wie ein Student, aber auch das ist er nicht. Als Werbetexter hat er gearbeitet, bis er vor einigen Jahren aus dem hessischen Frankfurt nach Berlin zog.
Nun sitzt Shkolnik in Kreuzberg, in einem unauffälligen hellgrauen Eckhaus aus der Gründerzeit, keine 200 Meter vom Jüdischen Museum entfernt. Die Einrichtung des Wohnzimmers ist eher schlicht. Die gelb gestrichenen Wände werden durch Leinwandmalereien in Grün und Blau aufgelockert. Neben Sofa und Couchtisch steht ein grauer Schreibtisch mit Laptop.
Jüdische Symbole sucht man in Shkolniks Wohnzimmerbüro vergeblich: Nicht mal eine Mesusa hängt am Türrahmen. Doch in den leicht verbeulten Pappkartons, die auf den abgezogenen Dielen stehen, findet sich Jüdisches: seine Ware.
»Die einfachen Synagogen-Kippot habe ich immer auf Lager«, sagt Shkolnik und greift in einen der Kartons. In Schutzfolie verpackt kommen die Käppchen in vielen Farben und Varianten zum Vorschein. »Für jeden Kunden kann ich eine ganz persönliche Bestickung arrangieren«, sagt Shkolnik und eröffnet damit routiniert eine Art Verkaufsgespräch: Insbesondere für private Anlässe wie Hochzeiten oder Barmizwas seien seine Produkte als nettes Erinnerungsstück gefragt. Auch für Gemeinden und Institutionen sei die persönliche Gestaltung eine tolle Sache.
Bei einer Feier im Familienkreis, unter rund 500 geladenen Gästen in Toronto an der kanadischen Ostküste, entstand die Idee mit dem ungewöhnlichen Kippa-Service. Shkolniks Cousin feierte seine Chuppa, und die männlichen Gäste trugen selbstverständlich eine Kippa. Extra für den Anlass war eine Kopfbedeckung gestaltet worden. Das interessierte Shkolnik. Als er sich dann in den jüdischen Gemeinden Deutschlands umhört, ist die Resonanz groß. Und Arie Shkolnik wird aktiv: Die Domain www.kippa.de muss gesichert, zuverlässige Lieferanten wollen gefunden werden. Zum 1. April 2008 startet er dann offiziell den ersten bundesweiten Kippa-Versand. Mittlerweile bezeichnet sich Shkolnik als »Marktführer in Deutschland« und als Kippa-Großhandel »mit den attraktivsten Konditionen in ganz Europa«. Aus Israel, Kanada, den USA und Portugal bezieht Shkolnik nun den dezenten Kopfschmuck – je nach Auftrag.
Seine Kunden sitzen in allen Teilen Deutschlands und Österreich. Viele Gemeinden ordern bei ihm. »Das Angebot hat sich schnell rumgesprochen«, berichtet Shkolnik stolz. Mal werden stabile Leder-Kippot geordert, mal Kappen aus Samt oder Satin. Manche Gemeinden fordern gleich eine vierstellige Stückzahl an. »Bisher habe ich noch jeden Kundenwunsch erfüllen können«, freut sich Shkolnik.
In Einzelfällen erreicht ihn auch die Anfrage nach kleinen Mengen – über die Online-Marktplätze ebay oder tamundo beispielsweise. Das verweist oft darauf, dass man sich in Deutschland durch religiöse Kopfbedeckung auch angreifbar machen kann. »Ein Kunde hat seine Bestellung explizit damit begründet, dass ihm jemand auf der Straße die Kippa entwendet hat«, erinnert sich Shkolnik. Er selbst trägt sein schwarzes Exemplar eigentlich nur in der Synagoge oder zu jüdischen Festen. Als Jürgen Rüttgers (CDU), der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens Ende April dieses Jahres zusammen mit Polizisten die Holocaustgedenkstätte Yad Vashem besuchte, schaute Shkolnik dem Politiker ganz genau auf den Kopf. Die Staatskanzlei in Düsseldorf hatte sich kurz zuvor mit einem Kontingent Kippot bei dem Versandhändler aus Berlin-Kreuzberg eingedeckt.
Shkolnik ist stolz auf seine Erfolge und auf die zahlreichen Referenzkunden. Doch der ehrgeizige Unternehmer will mehr. Einrichtungen wie das Jüdische Museum Berlin als Kunde zu gewinnen, das ist sein nächstes Ziel: »So eine Kippa als Andenken, zum Beispiel mit dem Signet des Museums bestickt, das wäre doch toll.«.
Aktuell aber steht in Shkolniks Wohnzimmer das übliche Tagesgeschäft an. Gerade hat er ein Sonderangebot zu Rosch Haschana aufgelegt: schon ab 69 Cent das Stück.
www.kippa.de