Der amerikanische Präsident Barack Obama hatte sich das wohl leichter vorgestellt: Ein Machtwort aus Washington würde genügen, um Jerusalem zum Einlenken zu bewegen und auf den Bau neuer Siedlungen zu verzichten. Seine Absicht, das Ansehen der USA im arabischen Na-
hen Osten wieder herzustellen, setzt eine konzessionswillige israelische Regierung voraus. Doch jetzt stößt die Nahost-Vision von Obama nicht nur wegen der israelischen Regierung auf Schwierigkeiten. In der Islamischen Republik Iran bleiben nach den jüngsten Wahlen diejenigen Kräfte an der Macht, auf deren Ablösung Obama gehofft hatte. Und die politische Kooperation in Nahost mit den Saudis, auf die er gesetzt hatte, kommt nur schleppend voran. Riad zögert mit dem Engagement, aus Angst, seine Diplomaten könnten im Nahostkonflikt so schmählich aufgerieben werden wie die ägyptischen Unterhändler in Gasa.
klarheit Doch Obama lässt sich nicht beirren. Forsch geht er das diffizile Projekt an. Dem Frieden im Nahen Osten zuliebe müsse Israel das natürliche Wachstum in den Siedlungen auf Null zurückschrauben. Siedlungen seien »moralisch beleidigend« und ein Hindernis für den Frieden, gibt Obama die Linie vor. Das haben zuvor zwar schon andere US-Präsidenten gesagt, aber kein Präsident gebrauchte derart klare Worte wie jetzt Obama. Und in noch einem Punkt weiche er von seinen Vorgängern ab, monieren Diplomaten in Jeru- salem: Obama verlange von Benjamin Ne-tanjahu einen Siedlungsstopp, ohne dass er von den Palästinensern eine Gegenleis-tung fordert.
Israelische Medien sprechen deshalb von einer »ernsten Krise«, wenn sie über das israelisch-amerikanische Verhältnis berichten. Die jüngsten Pläne, im Ostteil Jerusalems zu bauen, haben die Beziehungen zusätzlich belastet. Sie gefährden aus amerikanischer Sicht Bemühungen, eine Friedenslösung zu finden und den Palästinensern einen Staat mit Ostjerusalem als Hauptstadt zu ermöglichen. Während Israel an der Einheit Jerusalems festhalten will, hat Washington die Annexion des arabischen Teils von Jerusalem nie anerkannt.
Er denke nicht daran, das Siedlungsprojekt zurückzustufen, gibt sich indessen der israelische Premier hartnäckig. Ein natürliches Wachstum in den bestehenden Siedlungen betrachte er nicht nur als selbstverständlich, sondern als notwendig, meinte er. Mehr als das: Die Souveränität Jerusalems stehe selbstverständlich nicht zur Diskussion, legte in der vergangenen Woche ein enger Berater des Premiers nach. Kein Wunder also, dass Netanjahu und Obama auf Konfrontationskurs steuern. Mit Netanjahu hat die US-Regierung nicht nur einen Gegenspieler, der mit seiner rechtslastigen Ideologie an die Macht gekommen ist. Netanjahu hat seine Möglichkeiten zu Konzessionen in den besetzten Gebieten faktisch eingeschränkt, indem er ultra-nationalistische Parteien in seine Koalition geholt hat, die den Siedlungsausbau weiter voranbringen wollen. Dass das nicht nur Absichtserklärungen sind, belegt eine in dieser Woche bekannt gewordene Statistik der israelischen Armee. Seit Januar ist die Zahl der Siedler um 2,3 Prozent gewachsen. Mehr als 300.000 Israelis leben derzeit im Westjordanland.
Probe Die amerikanisch-israelische Freundschaft steht vor einer harten Bewährungsprobe. Wie stark die Unterkühlung im israelisch-amerikanischen Verhältnis bereits ist, lässt sich an der jüngsten Reisediplomatie Obamas ablesen. Er war seit seinem Amtsantritt bereits in mehreren Hauptstädten des Nahen Ostens: in Istanbul, Kairo und Riad. Doch um Jerusalem machte er stets einen großen Bogen. In diesem Klima, in dem Washington von einigen israelischen Beobachtern bereits feindliche Gesinnung unterstellt wird, sorgte in der vergangenen Woche der Sprecher des US-Außenministeriums auf einer Pressekonferenz für zusätzliche Verwirrung. Die Frage, ob finanzieller Druck auf Israel denkbar sei, um Netanjahu zu einem Siedlungsstopp zu bewegen, beantwortete der Sprecher nicht mit einem klaren »Nein«, sondern nur ausweichend. Es sei noch verfrüht, darüber zu sprechen, meinte er.
Im israelischen Verteidigungsministerium studierte man bereits besorgt Szenarien, in denen die amerikanische Militärhilfe reduziert wird. Erst nach zwei Tagen der Ungewissheit kam aus dem Washingtoner Weißen Haus ein ausdrückliches Dementi: Die finanzielle Unterstützung stehe nicht zur Disposition. Doch einige Diplomaten in Jerusalem befürchten trotzdem, dass die politischen Differenzen bald schon mehr als nur den Geldstrom aus Washington tangieren könnten.