Richard Prasquier

Kleiner starker Mann

von Lars Weber

»Ich möchte die Werte des Judentums leben«, verkündet der neue Präsident des Repräsentativrates der jüdischen Institutionen Frankreichs (CRIF), Richard Prasquier. Von ihnen gehe die moralische Botschaft aus, offen zu sein, aber trotzdem entschlossen gegen Antisemitismus vorzugehen und Israel zu unterstützen. Doch eine Öffnung bringe nichts, wenn sie nur auf der Ebene hoher Religionsvertreter stattfinde. Sie müsse im Alltag zwischen den Menschen gelebt werden, sagt Prasquier. Es gebe bereits zahlreiche Initiativen, vor allem in kleineren Städten, die zu einem friedlichen Zusammenleben zwischen Juden und Muslimen führen. Diese Initiativen müssten durch Kooperationen mit lokalen Organisationen weiter gefördert werden.
Richard Prasquier ist ein kleiner Mann, aber von kräftiger Statur. Der 62-jährige Mediziner und Vater von fünf Kindern engagiert sich seit Jahren in jüdischen Organisationen. Neben dem CRIF auch beim französischen Yad Vashem Komitee, der Stiftung zur Erinnerung an die Schoa und dem Internationalen Auschwitzrat. Der Schutz Israels sei den französischen Juden besonders wichtig, betont Prasquier. »Israel ist das einzige Land, das von den Vereinten Nationen anerkannt ist, aber dessen Existenzrecht in Frage gestellt wird.« Durch das Internet und die Predigten einiger Imame habe sich der Nahostkonflikt auf Frankreich übertragen. Die Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis würden hier wie ein Videospiel nachgespielt, eine Zunahme antisemitischer Übergriffe sei die Folge. Die Israelis würden dabei von französische Juden verkörpert. Es komme somit zu einer Gleichsetzung von Juden mit dem Staat Israel, und die französischen Juden bekämen den Hass auf Israel zu spüren.
Die französischen Juden fühlten sich Israel sehr stark verbunden, sagt der neue CRIF-Präsident. Ungefähr 300.000 von ihnen führen regelmäßig einmal pro Jahr nach Israel und besuchten Familienangehörige. Das entspricht der Hälfte der jüdischen Bevölkerung Frankreichs. Auch eine Tochter Prasquiers lebt mit ihrem Kind in Israel.
Er selbst wurde 1945 in Danzig geboren. Ein Jahr später wanderte seine Familie, die noch den polnischen Namen Praszkier trug, nach Frankreich aus. »Mit meinen Eltern habe ich Polnisch gesprochen. Ich habe mich aber immer als Franzose gefühlt, wenn auch mit einer eigenartigen Familiengeschichte.« Wie durch ein Wunder hatten seine Eltern die Schoa überlebt. Prasquiers Vater wollte nicht, dass sein Sohn beschnitten wird. Traumatisiert durch die Nazizeit – seine Familie war in der Schoa umgekommen, er selbst durch seine Beschneidung von der Gestapo als Jude erkannt worden – ging es ihm darum, seinen Sohn zu schützen.
Obwohl Prasquier durch seine Großeltern auch das orthodoxe Leben kennenlernte – seine Großmutter mütterlicherseits war mit einem Rabbiner verheiratet –, bekennt er: »Ich musste mir das Judentum selbst erarbeiten und habe es nach und nach in mein Leben integriert.«
Polen hatte er lange nicht gesehen. Erst anlässlich des 50. Jahrestages des Warschauer Ghettoaufstands 1993 kommt Prasquier zum ersten Mal in seine Heimat. Seitdem fährt er mehrmals pro Jahr dorthin, hauptsächlich in seiner Funktion als Aktivist zur Erinnerung an die Schoa.
Bis zu seiner Wahl an die Spitze des CRIF war Prasquier Präsident des französischen Komitees von Yad Vashem. Es kümmert sich vor allem um die sogenannten Gerechten der Völker Frankreichs, Menschen, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens während des Zweiten Weltkriegs Juden halfen und versteckten. Darüber hinaus besuchte Prasquier als Leiter der jüdisch-christlichen Kommission des CRIF häufig zusammen mit Kirchenvertretern Auschwitz und andere ehemalige Vernichtungslager. Vor zehn Jahren lernte er Papst Johannes Paul II. kennen.
Für ihn sei Erinnerungsarbeit aber keine Arbeit über die Vergangenheit, sondern eine Tätigkeit des Jetzt und des Morgen, sagt Richard Prasquier. »Ich war vor Kurzem eine Woche in Ruanda. Wir müssen als Juden eine universelle Sichtweise haben, da wir vielleicht besser als andere wissen, was ein Mensch einem anderen antun kann«, sagt der neue starke Mann an der Spitze des Repräsentativrates der jüdischen Institutionen in Frankreich.

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