Jüdische Scherenschnitte

Kleine Kunstwerke aus Papier

von Jan Thomas Otte

Fensterbilder aus Papier und Karton bas-
teln, mit der Schere Kunstwerke fürs Fens-
ter schnippeln. Das kennt wohl jedes Kind. Doch sind diese Bastelarbeiten nicht nur etwas für die Kleinsten. Vielmehr haben Scherenschnitte in der Jüdischen Volkskunst eine lange Tradition. Die israelische Künstlerin Zipora Neeman versucht, diese Kunst in Erinnerung zu rufen und wie-
derzubeleben.
Im Rahmen der »Woche der Brüderlichkeit« sind etwa 30 dieser kleinen Kunstwerke – sehr feine Schnitte aus Papier, in schlichten Farben – in Berlin zu sehen, in einer Ausstellung im Jüdischen Gemeindehaus. Gezeigt werden dort Arbeiten mit religiösen Symbolen der Tora, Granatäpfeln oder Fischen, einzelnen hebräischen Schriftzeichen oder ganze biblische Passagen. Die Künstlerin Zipora Neeman möchte dabei auch auf die Lebensfreude der jüdischen Kultur hinweisen: »Einer der Sche-renschnitte zeigt den Buchstaben Chai, das bedeutet Leben. Ich nenne es ›erfülltes Le-
ben‹, und in Buchstaben wie diesem ist die ganze jüdische Welt enthalten«, sagt die pensionierte Kunstpädagogin.
Der Bildungsreferent der Jüdischen Ge-
meinde, Uri Faberk, hat die Schau in Berlin organisiert: »Papierprodukte waren im-
mer fragil, und es waren keine Dinge, die eine besondere Heiligkeit hatten. Sie wa-
ren für den Hausgebrauch gedacht.«
Dort dienten sie unter anderem als »Misrach«, mit dem die Richtung für das Gebet markiert wurde, oder als Amulette für schwangere und stillende Mütter und ihre Neugeborenen. Es gab ebenfalls Omer-Kalender mit Scherenschnitten, um die Tage zwischen Pessach und Schawuot zu bezeichnen.
Produziert wurden sie vor allem von Laien, vielfach Talmudschüler, die sich da-
mit ein kleines Zubrot verdienten. Dafür war einiges Geschick erforderlich, die doppelt gefalteten Papiere werden zuerst auf einem Holzbrett befestigt und dann mit einem Messer zugeschnitten. Die Symmet-rie der Muster ergibt sich durch das Auseinanderfalten des Papiers. Die ältesten überlieferten Arbeiten stammen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Zipora Neemans Schwiegervater, von Beruf Schildermaler, entdeckte im Alter von 70 Jahren diese vergessene Tradition für sich. Er verhalf dem jüdischen Scherenschnitt zu neuer Verbreitung. Yaacov Neeman starb 1995 in Haifa und hat dabei ein umfangreiches Werk hinterlassen. Zipora hat die Kunst von ihrem Schwiegervater gelernt.
Seit seinem Tod betreut sie dessen künstlerischen Nachlass, von dem ein Teil jetzt in Berlin ausgestellt wird.
Seit Jahren organisiert sie Kurse, Se-
minare und Workshops für Kinder und Er-
wachsene. »Es ist wundervoll für mich zu sehen, wie Leute aus einfachen Papierschnitten große Kunstwerke machen«, sagt die ältere Dame.
Jael Botsch-Fitterling, jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, ist froh, die Scherenschnitte für die »Woche der Brüder-
lichkeit« gewonnen zu haben: »Hier gibt es in kleinen Kunstwerken die gesamte Symbolik der jüdischen Feiertage zu sehen, die in der jüdischen Bibel erwähnt sind.«

Die Ausstellung ist bis zum 13. April im Jüdischen Gemeindehaus, Fasanenstraße 79/80, zu sehen. Öffnungszeiten: Sonntag 14 bis 18 Uhr, Montag bis Donerstag 9 bis 18 Uhr, Freitag 9 bis 15 Uhr. Telefon: 030/880 28 0.

Wittenberg

Luthergedenkstätten untersuchen ihre Sammlung auf NS-Raubgut

Zwischen 1933 und 1945 erworbene Objekte werden analysiert

 19.02.2025

Braunau

Streit über belastete Straßennamen im Hitler-Geburtsort

Das österreichische Braunau am Inn tut sich weiter schwer mit seiner Vergangenheit. Mehrere Straßen tragen nach wie vor die Namen bekannter NS-Größen. Das soll sich nun ändern

 13.02.2025

Bund-Länder-Kommission

Antisemitismusbeauftragte fürchten um Finanzierung von Projekten

Weil durch den Bruch der Ampel-Koalition im vergangenen Jahr kein Haushalt mehr beschlossen wurde, gilt für 2025 zunächst eine vorläufige Haushaltsplanung

 12.02.2025

Österreich

Koalitionsgespräche gescheitert - doch kein Kanzler Kickl?

Der FPÖ-Chef hat Bundespräsident Van der Bellen über das Scheitern der Gespräche informiert

 12.02.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Hetty Berg, Armin Nassehi und Philipp Peyman Engel

 11.02.2025

Sport

Bayern-Torwart Daniel Peretz trainiert wieder

Der Fußballer arbeitet beim FC Bayern nach seiner Verletzung am Comeback

 09.02.2025

Geheimnisse & Geständnisse

Plotkes

Klatsch und Tratsch aus der jüdischen Welt

von Katrin Richter  05.02.2025

USA/Israel

Trump empfängt Netanjahu im Weißen Haus

Als erster ausländischer Staatsgast in Trumps zweiter Amtszeit kommt der israelische Regierungschef nach Washington. In dem Republikaner hat der israelische Besucher einen wohlwollenden Unterstützer gefunden

 04.02.2025

Düsseldorf

Igor Levit: Bin noch nicht fertig mit diesem Land

Am Klavier ist er ein Ausnahmekönner, in politischen Debatten meldet er sich immer wieder zu Wort. 2020 erhielt der jüdische Künstler das Bundesverdienstkreuz - das er nun nach eigenen Worten fast zurückgegeben hätte

 03.02.2025