von Jonathan Scheiner
Das Vorurteil hält sich hartnäckig, israelische Musik bewege sich im Niemandsland zwischen Hora, Hava Nagila und Hatikwa. Spätestens aber, wenn man in Israel das Radio anschaltet, plärren einem arabische, rockige oder klassische Klänge entgegen und nicht nur Klesmer.
Yael Naim ist eine Vertreterin der neuen, jungen und zarten Stimmen. Die französisch-israelische Sängerin lässt mit ihren leichten Sommerliedern warme Abende mit Freunden im Park unendlich schön werden und bringt Männerherzen zum Schmelzen. Und das nicht nur, weil sie für ein hauchdünnes Notebook Werbung macht. Nein, sie sieht auch noch gut aus.
Aber vielleicht doch kurz zurück zum Klesmer. Heutzutage sind nur wenige israelische Klesmer-Interpreten international bekannt. Die jiddische Sängerin Chava Alberstein zum Beispiel. In ihrer Heimat ein Star, hat sie sogar schon mit den Klezmatics aus New York zusammengearbeitet, der wohl berühmtesten Klesmerband. In Israel gibt es vielerlei Volksmusik, die die Einwanderer aus ihren Herkunftsländern mitgebracht haben. Dubi Lenz, israelischer Radio-Moderator von I.D.F./Galatz-Radio und so etwas wie die oberste Instanz für Weltmusik seines Landes, schwärmt davon, dass »Israel die natürliche Heimat einer globalen Fusion ist, ein Schmelztiegel, in dem Aromen und Gewürze von Juden aus aller Herren Länder und Arabern vermischt werden.« In Israel leben viele hervorragende Ladino-Sängerinnen wie etwa Yasmin Levy. Und doch zählt die Sängerin zu den wenigen ihrer Zunft, die auch außerhalb ihrer Heimat bekannt sind. Einmal mehr scheint das Hebräische schuld an der mangelnden Verbreitung israelischer Musik zu sein. Die Sprache bildet eine Art Karriere-Barriere. Am Beispiel von Noa ist das vielleicht am deutlichsten. International unter dem Namen Noa ein Star, feiert die jemenitische Sängerin in ihrer Heimat als Archinoam Nini eine Zweitkarriere. Andere haben den Sprung aufs internationale Parkett erst gar nicht gewagt. Oder kennen Sie vielleicht Alabina oder Arik Einstein, immerhin einer der Gründungsväter des israelischen Pop? Auch den Begriff Rockstar muss man angesichts von Namen wie Shlomo Artzi oder Ivri Lider wohl eher lokal auffassen. Was nicht heißt, dass nicht auch im heiligen Land die Verstärker aufgedreht werden und Gitarrensoli an die fünf-Minuten-Grenze kommen. Dabei kann es mit vielen Metal- und Death-Metal-Bands in dem kleinen Land, in dem fast immer die Sonne scheint, musikalisch auch sehr dunkel werden. Gut, dass es Ausnahmen gibt, Stars aus Israel, die den Magen David auch international hochhalten. Ziv Eitan zum Beispiel. Was der Schlagzeug- und Marimba Meister, wie er sich selbst nennt, mit seinem Drum-Sticks macht, ist mehr als Musik. Man begibt sich auf eine Reise, bei der am Anfang nicht feststeht, wohin sie führt. Leichte Töne werden zu kräftigem Trommeln. Das beeindruckte auch die Gäste beim Berliner Konzert 2006. Und dann wären da noch die Teapaks. Die israelische Band zu beschreiben, würde ihr nicht gerecht werden. Das muss man hören. Sie sind schräg, verrückt, singen in englisch, hebräisch, französisch und lieferten den umstrittenen Eurovision-Song- Contest-Beitrag »Push the Button«. Mit dem als zu politisch für den Wettbewerb eingeschätzten Lied kamen sie nicht unter die ersten zehn im Halbfinale. »Wenn wir Frieden hätten, würden wir unsere Musik in Katar, Bahrein, Saudi-Arabien oder Jordanien spielen«, sagt Kobi Oz, der Sänger der Band. Das klingt optimistisch und steht für das weitverbreitete Gefühl israelischer Musiker, man lebe auf einer einsamen Insel. Die Geschichte des europäischen Gesangwettbewerbs ist aus israelischer Sicht um weitere Highlights reicher. Ofra Haza, das Kind jemenitischer Einwanderer, hat den Wettbewerb 1988 mit dem Titel »Im Nin Alu« gewonnen. Dana International, die den Titel ein Jahrzehnt später absahnte, hat gleichzeitig heftige Kontroversen über sexuelle »Echtheit« im spießigen Schlagergeschäft ausgelöst. Trotzdem begreifen die Musiker es nicht als Tabubruch, wenn sie mit arabischen Musikern zusammenarbeiten, bei Weltmusikprojekten wie Idan Raichel ebenso wenig wie bei Hip-Hop-Sänger Mook E, dem Pionier dieser Musik in Israel. Die Weite und Vielfalt der israelischen Musik kann man auf zwei aktuellen Compilations bestaunen. Ende vergangenen Jahres ist beim Label Putumayo World Music der Sampler »Israel« erschienen, der Pop bis Hip Hop bietet. Und gerade eben ist »Shabbat Night Fever – Groove Sounds From Israel« herausgekommen. Darauf 20 Bands, die hierzulande nur Insider kennen. Funk‹n‹Stein, Kutiman oder Karolina sollte man allerdings ebenso kennen wie Habanot Nechama, Balkan Beat Box oder Boom Pam.
Klasse, die auch international Anerkennung findet, besitzen vor allem israelische Musiker im Bereich der Klassik. Dazu zählt das Israel Philharmonic Orchestra, das 1936 vom polnischen Geiger Bronislaw Huberman gegründet wurde und nun unter der Leitung von Zubin Mehta auf höchstem Niveau spielt. Dazu zählen auch Interpreten wie etwa der Geiger Itzhak Perlman oder die Klarinettistin Sharon Kam, die inzwischen in Hannover lebt. Und wer kennt nicht Daniel Barenboim? Der Dirigent und Pianist hat den »West-Eastern Divan« gegründet. In dem Orchester machen junge Israelis und Palästinenser gemeinsame Sache. Das ist nicht nur tolle Musik, sondern auch ein politischer Wink.