Chana Zalis’ Vater ist amerikanischer Militärrabbiner im Rang eines Generals. Ihr Freund ist ein nicht jüdischer Deutscher. Die Beziehung hat die 27-Jährige ihrer Familie jahrelang verschwiegen. Mit der »unkoscheren Wahrheit« rückt sie erst auf einer Reise mit ihrem Vater heraus – vor laufender Kamera. Der Film wurde beim Jewish Film Festival Jerusalem im Dezember 2006 ausgezeichnet.
Wann und wo hast Du Deinen Freund kennengelernt?
zalis: Ich habe Daniel im Sommer 2001 in Berlin bei einem Sommerlager der »Aktion Sühnezeichen« kennengelernt, wo wir beide Gruppenleiter waren. Eine Freundin von mir hatte als Leiterin kurzfristig absagen müssen und mich gefragt, ob ich es nicht machen könnte.
Ihr habt Euch dann verliebt. War die Tatsache, dass er Deutscher ist, für Dich kein Problem?
zalis: Klar war das seltsam. Ich hatte nie gedacht, dass ich jemals mit einem Deutschen zusammen sein würde.
An einer Stelle im Film sagst Du, Dein Freund habe einen »Holocaustkomplex«. Warum? Weil er Deutscher ist? Weil er Dich, eine Jüdin, liebt?
zalis: Ich sage, er hat einen Holocaustkomplex, weil er sich ziemlich stark mit der Holocaustzeit beschäftigt. Beruflich ja auch. Nicht jeder Deutsche hat gleich einen Holocaustkomplex – das meine ich gar nicht!
Im Film gibst Du Deinem Vater gegen-über zwar zu, dass Dein Freund nicht jüdisch ist, erwähnst aber nicht, dass er Deutscher ist. Warum? Wäre das für Deinen Vater noch problematischer?
zalis: Für meinen Vater ist die Hauptfrage, ob er jüdisch ist oder nicht.
Und der Rest der Familie?
zalis: Für meine Mutter ist es auch problematisch, dass Daniel Deutscher ist. Ich glaube, dass es für meinen Bruder auch ein Problem ist, dass mein Partner nicht jüdisch ist. Aber er akzeptiert mich und ihn trotzdem.
Dir dagegen ist Daniels Religion egal. Spielen Glaubensfragen für Dich überhaupt keine Rolle?
zalis: Ich bin in einem religiösen Haus aufgewachsen, habe in einem religösen Rahmen gelebt, aber ich war in meinem Herzen nicht wirklich religiös. Mit 16 Jahren habe ich dann diesen Rahmen hinter mir gelassen.
Andererseits verlangst Du von Daniel, zu konvertieren. Er soll zu der Religion übertreten, an die Du selbst nicht glaubst.
zalis: Der Grund, warum Daniel konvertieren muss, ist, damit meine Eltern weiter mit mir Kontakt halten. Wenn ich jemanden außerhalb unseres Glaubens heiraten würde, wäre ich für sie gestorben. Sie würden für mich Schiwa sitzen. Ein Trauerritual. Das macht man normalerweise, wenn man je-manden beerdigt. Wenn ich also weiter Verbindung zu ihnen haben möchte und Daniel nicht die Verantwortung aufbürden will, meine einzige Stütze im Leben zu sein, dann ist die Lösung, die er für uns wählen muss, die, zu konvertieren.
Du möchtest, dass Dein Vater Dich liebt, ohne dass Du ihm zuliebe religiös wirst. Im psychologischen Kampf zwischen Vater und Tochter muss Dein Freund, wie Du im Film sagst, »für den Kompromiss sorgen«. Wenn er konvertiert, löst das also alle Probleme?
zalis: Das habe ich eher ironisch gemeint. Eine echte Lösung gibt es noch nicht und wird es wahrscheinlich auch nie wirklich geben, weil mein Vater vor allem will, dass ICH religiös werde. Wenn Daniel übertritt, löst das also nicht alle Probleme. Aber sie sitzen wenigstens nicht Schiwa.
Das Gespräch führte Simon Grünewald.