„World Trade Center“

Kitsch oder Klassiker?

von Johannes Bonke

Für die beiden New Yorker Polizisten John McLoughlin (Nicholas Cage) und Will Jimeno (Michael Pena) beginnt der 11. September 2001 wie jeder andere Tag: ein kurzes Briefing, Einteilung der Einsatzgebiete, ein paar flapsige Bemerkungen von den Kollegen. Kurze Zeit später krachen zwei Flugzeuge ins World Trade Center – und schlagartig wissen die beiden Polizisten, daß nach diesem Tag nichts mehr sein wird wie zuvor. Gemeinsam mit drei anderen Kollegen machen sich die Familienväter zur Gefahrenzone auf, um Verletzte aus den oberen Stockwerken der Hochhäuser zu bergen. Doch als sie die Aufzugsschächte betreten, stürzen die Türme in sich zusammen und begraben die Einsatztruppe unter meterhohem Schutt. Wie durch ein Wunder überleben die beiden Polizisten und versuchen, schwer verletzt und zwischen Stahlpfeilern eingeklemmt, sich in den folgenden zwölf Stunden mit Erzählungen am Leben zu halten. Denn in einem sind sie sich sicher: Wer einschläft, wacht nicht wieder auf.
Die Ehefrauen der beiden, Donna McLoughlin (Maria Bello) und Allison Jimeno (Maggie Gyllenhaal) stehen derweil vor Sorge um ihre Männer kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Erst als ein Kriegsveteran Stunden nach dem Einsturz der Türme auf die beiden Polizisten aufmerksam wird, beginnt eine Rettungsaktion, die symbolisch steht für den amerikanischen Traum: Alles ist möglich, solange du nur daran glaubst.
Was sich liest wie die reißerisch konstruierte Story eines Hollywood-Autors, ist eine wahre Geschichte. »Ich fühlte meinen gefallenen Kollegen gegenüber die Verpflichtung, diese Story zur Verwertung freizugeben«, sagt John McLoughlin. Oliver Stone, selbst New Yorker, sah in dem Schicksal der beiden Polizisten nicht nur die Möglichkeit, das größte Trauma seiner Geburtsstadt visuell umzusetzen. Er konnte mit World Trade Center, der an diesem Donnerstag in die deutschen Kinos kommt, auch zu einem zentralen Themen seiner frühen Filme zurückkehren, in denen gewöhnliche Menschen in außergewöhnlichen Situationen zu Helden werden. Dabei wollte Oliver Stone, wie er sagt, so authentisch wie möglich vorgehen und die Ereignisse originalgetreu nach zuerzählen.
Und das gelingt ihm. Auch wenn Oliver Stone manchmal auf etwas zu viel Pathos, Kitsch und Heldenmythen zurückgreift, bringt er mit diesem Film durch das Schicksal zweier Männer die Katastrophe des 11. September 2001 auf einen fühlbaren, greifbaren Nenner, der den Zuschauer nachempfinden läßt, was sich damals im Innern der einstürzenden Türme wirklich abgespielt hat. Damit ist World Trade Center ein Film, der über den Tag hinaus Bestand haben wird. . von Peter Gaal

Am 11. September 2001 um halb drei Uhr morgens macht sich der New Yorker Streifenpolizist John McLoughlin (Nicolas Cage) auf den Weg zur Arbeit. Er ahnt nicht, daß er einen der schwärzesten Tage der amerikanischen Geschichte nur knapp überleben wird. Oliver Stone erzählt anhand des wahren Schicksals von McLoughlin und seines Kollegen Will Jimeno (Michael Pena), die bei Rettungsarbeiten im World Trade Center verschüttet und erst Stunden später lebend geborgen werden, die Geschichte des einschneidendsten Traumas Amerikas seit Vietnam.
Für die USA war der Terrorangriff auf das World Trade Center eine Katastrophe von historischer Dimension: Beim ersten feindlichen Angriff auf amerikanischem Boden seit Pearl Harbour 1941 kamen innerhalb weniger Stunden tausende Menschen ums Leben, unter ihnen viele New Yorker Polizisten und Feuerwehrleute. John McLoughlin und Will Jimeno zählen zu den wenigen, die den Einsturz des WTC überlebt haben. Bis sie gerettet wurden, mußten sie aber zwölf Stunden unter dem Trümmerschutt ausharren, ständig in Angst um ihr Leben
Oliver Stone versucht in World Trade Center, das Leiden der verschütteten Polizisten und ihrer Familien darzustellen – und scheitert dabei kläglich. Nach einem unbestreitbar starken Auftakt rutscht der Film schnell ab auf das Niveau einer brasilianischen Seifenoper. Dramatik, Sentimentalität und Tränen bestimmen das Geschehen. Dem Oskargewinner Stone ist für sein Gefühlskino kein Klischee zu billig und zu kitschig. Da erscheint beispielsweise Will Jimeno, der, unter einem Betonblock begraben, seit Stunden auf Ret- tung hofft, eine jesusähnliche Gestalt. Die in grelles Licht getauchte Figur reicht dem Halbverdursteten eine Flasche Wasser. Doch er nimmt sie nicht an. Für ihn ist die Zeit, mit Christus aus diesem Leben in ein besseres Jenseits zu gehen, noch nicht reif. Er wird von seiner Familie gebraucht. Das soll rühren – und provoziert doch eher unangemessenes Gelächter.
Oliver Stone, von dem Kinoklassiker wie Platoon, JFK und Nixon stammen, galt bisher als kritischer Filmemacher, der gerne den Finger in offene Wunden der Weltmacht USA legt. Doch in World Trade Center ist davon nichts zu spüren. Keine Spur von kritischer Distanz. Statt den seit dem 11. September grassierenden amerikanischen Hurrapatriotismus unter die Lupe zu nehmen und zu hinterfragen, ist der Film ist eine einzige Lobeshymne auf amerikanische Wertvorstellungen. Lobenswert sind allein die schauspielerischen Leistungen von Nicolas Cage und Michael Pena. Sie sind in ihren Rollen als verschüttete Polizisten beängstigend überzeugend – aber auch sie können diesen peinlichen Streifen nicht retten.

Kultur

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