»Kino kann die Wirklichkeit nicht direkt ändern«
Amos Gitai über Gerechtigkeit, Politik und Filmbotschaften
Herr Gitai, Sie haben während der Berlinale Ihren dritten Dokumentarfilm über ein Haus in Jerusalem vorgestellt. Es gehörte bis 1948 einer palästinensischen Familie, wurde danach vom Staat Israel enteignet und an jüdische Neueinwanderer verkauft. Was wollen Sie mit »News from Home/News from House« zeigen?
gitai: Ich glaube, daß Israelis und Palästinenser sehr unter den Images leiden, die das Fernsehen geschaffen haben. Auf dem Bildschirm sieht es so aus, als ob alle Palästinenser Terroristen seien, und alle Israelis Soldaten, die die Terroristen verprügeln. Wir Fil- memacher müssen unseren Charakteren ein menschliches Antlitz geben. Und wir müssen zeigen, daß wir alle gleichzeitig recht haben und im Unrecht sind.
Was hat Sie an den früheren und den heutigen Hausbewohnern fasziniert?
gitai: Zum Beispiel die Besitzerin Claire, eine Jüdin aus der Türkei, und die Palästinenserin Rabicha, die heute in Jordanien lebt. Sie haben ähnliche Ansichten über Religion, obwohl die eine Muslima ist und die andere eine Jüdin. In Rabicha sehen wir eine moderne muslimische Frau, die sich weigert, das Kopftuch zu tragen. Es ist spannend, daß gerade die Palästinenser sich desillusioniert über die arabischen Regimes äußern, während Claire sich an muslimische Toleranz gegenüber ihrer jüdischen Familie in der Türkei erinnert.
Sie sagen am Ende des Films, es sei nicht gerecht, daß die palästinensische Familie keinen Anspruch auf das Haus geltend machen kann. Sind Sie für ein Rückkehrrecht palästinensischer Flüchtlinge?
gitai: Es gibt die Frage der Gerechtigkeit, aber auch die Realpolitik. Der Staat Israel könnte eine Rückkehr von Millionen Palästinensern nicht verkraften.
Was wollen Sie dem israelischen Publikum dann sagen?
gitai: Ich glaube, es ist wichtig, daß die Israelis den Verlust der Palästinenser anerkennen, auch wenn wir die Geschichte nicht rückgängig machen können.
Haben Filme Einfluß auf die Politik?
gitai: Das Kino kann die Wirklichkeit nicht direkt ändern. Als Filmemacher können wir bestenfalls dazu beitragen, daß die Menschen sensibler werden. Wenn wir einige dazu bringen, etwas zu sehen, was sie vorher nicht sahen, dann haben wir etwas erreicht.
Mit dem israelischen Filmemacher sprach Ayala Goldmann.