von Ayala Goldmann
Seinen arabischen Akzent hat er sich mü-
hevoll abtrainiert. Amjad, arabischer Journalist und Hauptfigur der israelischen Fernsehserie Arab Work, will israelischer sein als jeder Jude in Israel. Mit Hingabe isst er Gefillte Fisch, bis seine Frau ihn nie wieder küssen will, und dreht bei Polizeikontrollen den Armeesender voll auf, um als vorbildlicher Landsmann dazustehen. Um Gnade in den Augen seiner jüdischen Mitbürger zu finden, lernt Amjad sogar Pessach-Songs auswendig. Doch egal, was er tut: irgendjemand erinnert ihn immer daran, dass er Araber ist – und sei es sein jüdischer Kollege von der Zeitung, der sich in eine arabische Feministin verliebt.
Mit der erfolgreichen neunteiligen Seifenoper Arab Work (Produzent: Ron Ninio, Drehbuchautor: Sayed Kashua) als Eröffnungsfilm des 14. Jewish Film Festival Berlin & Potsdam (JFFB) knüpft Festivalleiterin Nicola Galliner bereits an eine kleine Tradition an: Schon im vergangenen Jahr startete das Filmfestival mit einer TV-Serie Ron Ninios, dem Liebesdrama
A Touch Away, das sich um einen russischen Neueinwanderer und eine junge Jü-
din aus ultraorthodoxem Hause drehte.
Dass die Serie Arab Work (»Avoda Aravit« – eine Parodie Kashuas auf die zionistische Parole der »Hebräischen Arbeit«) mit ihrer respektlosen Ironie in Israel nicht nur hohe Quoten erzielte, sondern auch ans Eingemachte geht, ist nicht zu-
letzt an den harschen Reaktionen in der arabischen Presse zu erkennen. Dem Drehbuchautor und Schriftsteller Sayed Ka-shua – er liest zusammen mit dem Schauspieler Jan Josef Liefers am 25. Mai im Literaturhaus Berlin zum Festivalauftakt aus seinem Roman Tanzende Araber – wurde vorgeworfen, sich über Opfer des Nah-
ostkonflikts lustig zu machen; und das war noch eine der harmloseren Anschuldigungen.
Über ihre Entscheidung, das arabisch-israelische Thema in den Vordergrund eines jüdischen Filmfestivals zu rücken, sagt Galliner: »Es geht nicht nur um die arabische Familie. Es geht um eine Zusam-
menarbeit. Um weiter existieren zu können, müssen alle Beteiligten in dieser Ecke der Erde miteinander auskommen, sonst sind sie irgendwann nicht mehr da.«
Wie in den vergangenen Jahren bestreitet das Jewish Film Festival auch diesmal, 60 Jahre nach Gründung Israels, einen großen Teil seines Programms mit israelischen Produktionen. Mit My Father, My Lord ist erneut eine Auseinandersetzung – in diesem Fall: eine Abrechnung – mit dem ultraorthodoxen Milieu vertreten. Regisseur David Volach, als eines von 19 Kindern in einer orthodoxen Familie in Israel aufgewachsen, attackiert in seinem ersten Spielfilm die Lebenshaltung eines strenggläubigen Vaters in Jerusalem, der die Gebote der Tora wichtiger nimmt als die Beziehung zu seinem Sohn. Der Film, schwerblütig, geradezu archaisch inszeniert und nicht ohne Pathos, wurde beim Tribeca-Filmfestival in New York ausgezeichnet und lebt nicht zuletzt von seinem Hauptdarsteller Assi Dayan, der in Israel derzeit als Psychotherapeut in der zweiten Staffel der TV-Serie Betipul (»In Therapie«) praktiziert.
Herausragend unter den israelischen Filmen beim Jewish Film Festival dagegen der Dokumentarfilm Stefan Braun, eine Annäherung an »den berühmtesten Pelzhändler im Nahen Osten«. Der Kürschner Stefan Braun betrieb seit den 50er-Jahren ein Pelzgeschäft in Tel Aviv und lebte die meiste Zeit seines Lebens in einer homosexuellen Beziehung mit seinem Partner, dem Schneider Eliezer Rath. Nach dem Tod Brauns focht dessen Familie das Testament an – weil das gesamte Erbe an Rath floss. Regisseur Itamar Alcalay und Drehbuchautor Nir Shenhav geben nicht nur Einblicke in das Gesellschaftsleben und die Schwulenszene Tel Avivs in Zeiten, als Homosexualität noch unter Strafe stand, sondern zeigen in Rückblicken, Fotos, Ta-
gebüchern, alten 8-mm-Filmen und Interviews sensibel und vielschichtig die Ge-
schichte einer großen, wahren Liebe.
Auch das Kibbuz-Thema kommt wieder aufs Tapet. Der mehrfach ausgezeichnete Dokumentarfilm Children of the Sun von Ran Tal ist ein Porträt der ersten im Kibbuz geborenen Kinder. Und wer das Je-
wish Film Festival in Potsdam besucht, hat die Möglichkeit, Sweet Mud von Dror Schaul zu sehen – einen der besten Spielfilme, die je über das Leben eines Jungen im Kibbuz gedreht wurden. Bei der Berlinale 2007 wurde er mit dem gläsernen Bären ausgezeichnet. Von den diesjährigen israelischen Berlinale-Filmen wird beim JFFB Lemon Tree (Panorama-Publikumspreis 2008) präsentiert, der etwas gefällige, aber bissige und unterhaltsame Spielfilm von Eran Riklis über eine palästinensische Witwe (Hiam Abbas), die im Kampf um ihren Zitronenhain nicht vor einer Konfrontation mit dem israelischen Verteidigungsminister zurückschreckt.
Aus Frankreich, einem weiteren Schwerpunkt des Festivals, kommt Dans La Vie von Philippe Faucon – ein Spielfilm über eine schwierige Annäherung zwischen einer jüdischen und einer arabischen Familie, die beide aus Algerien nach Frankreich eingewandert sind. Aus einem Kulturclash, in dem man sich gegenseitig des Antisemitsmus beziehungsweise der Unterdrückung von Palästinensern bezichtigt, wird eine tiefe Freundschaft zwischen zwei ungleichen Frauen. Wenn auch das Ende unrealistisch wirkt, geht die Geschichte dennoch ans Herz. Wer sich für aktuelle Berliner jüdische Geschichte interessiert, kommt in Alles koscher im Café (Uri Schneider) und Auf jüdischem Parkett (Arielle Artsztein und Esther Slevogt) auf seine Kosten. Während Schneider das Café »Bleibergs« in der Nürnberger Straße porträtiert, haben Artsztein und Slevogt ein ganzes Jahr lang das Leben im Ge-
meindehaus in der Fasanenstraße festgehalten.
Nicola Galliner verfolgt unterdessen ehrgeizige Pläne für das Jewish Filmfestival: mit der Unterstützung eines Förderkreises will sie ab dem kommenden Jahr eine Auswahl jüdischer und israelischer Filme nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland präsentieren.