Repräsentanz

Keine Kontrolle?

von Christine Schmitt

»Die Exekutive, also der Vorstand, greift pausenlos in die Legislative ein und meint bestimmen zu können, was in der Repräsentanz gesagt und gedacht werden kann.« So beschreibt Julius H. Schoeps den Konflikt, den seiner Meinung nach die neue Führung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit dem Gemeindeparlament hat. Es würden, klagt der Historiker, ständig die Grundregeln der parlamentarischen Demokratie verletzt und damit gegen die Satzung verstoßen. »Man hat einfach das Prinzip der Gewaltenteilung nicht verstanden, oder man will es nicht verstehen.« Schoeps ist mittlerweile vom Amt des Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung (RV) zurückgetreten und hat zudem seinen Austritt aus der Gemeinde erklärt (vgl. Jüdische Allgemeine vom 23. Februar).
Gemeindechef Gideon Joffe weist jetzt die Kritik zurück: »Es ist eine humorvoll gemeinte Aussage von Herrn Schoeps, die ich mit Humor aufnehme.« Die Vorwürfe seien nicht haltbar. Denn es gehe nicht um eine Einflußnahme auf die Entscheidungen des Gemeindeparlaments oder um die Beschneidung von Kompetenzen, sondern um mehr Transparenz der Arbeit und Entscheidungen der RV und ihrer Gremien.
Unterdessen hat der zurückgetretende RV-Vorsitzende seine Vorwürfe konkretisiert: Er verweist dabei unter anderem auf den Wunsch des Vorstandes, ständig an den Sitzungen des RV-Präsidiums teilnehmen zu wollen. Noch als RV-Vorsitzender machte Schoeps Anfang Februar in einem Schreiben an Vorstandsmitglied Arkadi Schneiderman sein Unverständnis deutlich, daß es sich bei diesem Anliegen wohl »um ein Mißverständnis handeln« müsse. Die RV kontrolliere den Vorstand, nicht der Vorstand das Präsidium der RV.
»Darum geht es doch nicht. Satzungen wurden schon immer hin und her geändert«, kontert Gideon Joffe. »Was spricht dagegen, einen Satzungsparagraphen zu ändern, wenn dadurch Beschlüsse des Präsidiums nachvollziehbarer werden?« Ein Vorstandsmitglied soll an den Sitzungen des RV-Präsidiums als Beobachter teilnehmen, um über Argumente und Beschlüsse informiert zu sein.
Kritik auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit: Schoeps hatte heftig protestiert, als der neue Gemeindevorstand im November den Beschluß mitteilte, daß der private Fernsehsender »Babel TV« ab sofort nicht mehr im Gemeindehaus drehen dürfe. »Dazu hatte der Vorstand kein Recht, das war verfassungswidrig«, so Schoeps. Im Januar sprach sich dann die RV mehrheitlich dafür aus, daß zu den Sitzungen des Gemeindeparlaments überhaupt keine elektronischen Medien mehr zugelassen würden. Bislang hatte Babel TV Ausschnitte der Debatten im Berliner Kabelnetz gesendet. Joffe weist den Vorwurf, die Gemeindeführung wolle die »Öffentlichkeit ausschalten«, zurück: »Nicht der Vorstand, die Repräsentantenversammlung hat entschieden, daß die Kamera draußen bleibt.
Auch kritisiert Schoeps den Versuch des Vorstandes, Einfluß auf das Gemeindeblatt »jüdisches berlin« zu nehmen, obwohl das Präsidium der Repräsentantenversammlung der Herausgeber sei. Im No- vember hatte sich der damalige RV-Vorsitzende schriftlich beim Gemeindevorsitzenden beklagt, daß der Vorstand versucht habe, den Druck einer Beilage für die Gemeindezeitung zu verhindern. »Das ist skandalös und stellt eine nie dagewesene Einmischung in die Kompetenzen des Präsidiums der RV dar”, findet Schoeps. Dies bedeute eine Zensur, die jetzt, nachdem er zurückgetreten sei, noch viel unverhohlener ausgeübt werde.
Joffe und Schneiderman hätten ihn in den Sitzungen der RV zudem »attackiert und beschimpft”, sagt Julius H. Schoeps. Präsidiumsmitglied Jael Botsch-Fitterling stimmt seiner Kritik am Umgangston des Vorstandes gegenüber dem Präsidium zu. »Die Repräsentantenversammlung als Kontrollorgan funktioniert nicht mehr”, meint Repräsentant Benno Bleiberg. Laut Satzung bestimme die RV die Richtlinien, nach denen die Gemeinde zu führen ist. Davon könne inzwischen keine Rede mehr sein. »Es bleibt festzustellen: Der Vorstand hält sich nicht mehr an demokratische Spielregeln”, so Schoeps. »Die RV ist gestorben.”
Dies sehe er nicht so, sagt Joffe. Spätestens auf der nächsten Sitzung des Gemeindeparlaments am kommenden Mittwoch werde »ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin« im Amt des RV-Vorsitzenden gewählt. Er sehe einer konstruktiven Zusammenarbeit entgegen und möchte dazu auch alle Gemeindevertreter auffordern. »Ich habe dazu bereits mit mehreren Repräsentanten Einzelgespräche geführt.”

Kultur

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