von Miryam Gümbel
Warum Innenminister Günther Beckstein den Jerusalem-Preis erhalten hat, davon konnten tags darauf die Gäste der Bnai-Brith-Loge einen tieferen Eindruck bekommen. Logenpräsident Georg Grünberg begrüßte ihn als Referent zum Thema: »Der islamistische Terrorismus hat die Welt verändert – Wie steht es um die Sicherheit in Deutschland?« In einem kleinen Kreis ging er dabei in einem vertrauensvollen Gespräch auch auf Details der Alltagsarbeit seines Hauses ein.
Daß Terror mit islamistischem Hintergrund etwas »Fernes« sei, das in Deutschland nicht zum Tragen kommen könne, sei ein großer Irrtum. Fälle wie die Selbstmordanschläge vor einem Jahr in London zeigten, daß selbst langjähriges Leben in dem neuen Heimatland und Einbürgerung manch einen nicht von Fanatismus und Terrorismus abhielten.
Allerdings – und das unterstrich Beckstein mit Nachdruck – handele es sich beim allergrößten Teil der in Bayern lebenden Muslime um verläßliche Bürger, die keinerlei terroristische Gedanken hegten. Doch von den wenigen Ausnahmen gehe eine Gefahr aus, die man aufmerksam im Auge behalten müsse.
Hier erlaubte der oberste Sicherheitschef Bayerns dann auch einen kleinen Einblick in die Alltagspraxis und deren Schwierigkeiten. Als anschauliches Beispiel nahm er einen einfachen Automatenaufbruch. Wenn die Polizei hier im Vorfeld ermittelt habe, daß jemand diese Straftat begehen wolle, dann würden die Beamten die verdächtige Person nicht schon auf Grund des Planes festnehmen. Auch dann noch nicht, wenn diese sich mit dem Brecheisen in der Nähe des Automaten befinden würde. Erst wenn der Täter sich am Automaten zu schaffen macht, liegt eine strafbare Handlung vor. Wegen dieser kann er dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Genau hier, so der frühere Rechtsanwalt Beckstein, setze die Problematik ein. Zur Verurteilung müsse die Straftat begonnen sein, nicht nur geplant. Im genannten Beispiel sei das kein schwerwiegendes Problem. Bei einem geplanten Terroranschlag könne man aber nicht warten, bis das Verbrechen seine Opfer getroffen habe. Deshalb komme es in diesem Umfeld, sofern keine anderen Beweise vorlägen, häufig nur zu Verurteilungen wegen Mitgliedschaft in terroristischen Vereinigungen.
Anders als beispielsweise bei der Roten Armee Fraktion (RAF) sei zudem der Schutz vor terroristischen Übergriffen schwieriger. Bei der RAF hätten sich die Gewaltakte auf einen klar umrissenen Personenkreis bezogen. Bei terroristischen Anschlägen aus der gewaltbereiten islamistischen Szene seien die Ziele nicht klar.
Gewandelt habe sich auch der Täterkreis. Vor einigen Jahren seien es noch ausschließlich Männer gewesen, die Selbstmordattentate verübt hätten. Inzwischen seien es auch Frauen. Die Hemmschwelle für männliche Polizisten, eine tatsächlich oder vermeintlich schwangere Frau auf Sprengstoff hin zu untersuchen, sei sehr, sehr hoch. Das Gesinnungsumfeld müsse genau beobachtet werden. Für die Ablehnung einer Rasterfahndung hat Beckstein nach wie vor kein Verständnis. Der Minister forderte einmal mehr, daß das Geschehen in den Moscheen offen und bekannt sein müsse. Haßprediger dürften auf keinen Fall geduldet werden.
Die Folge daraus: Für diese Fälle müssen jeweils die entsprechenden Strategien angewandt werden. Beckstein lasse sich in diesem Zusammenhang gerne als Hardliner bezeichnen, wenn er damit seine Aufgabe erfülle, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. »Neben den sicherheitspolitischen Weichenstellungen«, so Beckstein weiter, »liegt es mir sehr am Herzen, die Integration und den Dialog mit den Muslimen in unserem Land auf allen Ebenen deutlich zu verstärken«. Seit 1993 seien hierzulande auch Muslime im Polizeidienst. In Deutschland gebe es ein hohes Maß an Sicherheit, speziell in Bayern. Eine Garantie, daß nichts passiert, könne es aber nicht geben.
»Wir müssen unter allen Umständen einen Kampf der Kulturen und Religionen verhindern«, forderte der Minister. »Und wir müssen im Geiste gegenseitiger Toleranz und Rücksichtnahme zu einem echten Miteinander kommen und uns auf gemeinsame Grundwerte verständigen. In Deutschland gibt es inzwischen drei Millionen Muslime. Wir wollen auf Dauer sicher mit ihnen leben.«