Polens Roma fühlen sich diskriminiert. »Wenn es um die Erinnerung an polnische Opfer und Helden geht, ist der Regierung nichts zu teuer«, empört sich Roman Kwiatkowski, der Vorsitzende der Roma-Vereinigung in Polen. »Aber wenn es um unser Gedenken an die Vergasung der letzten Roma im ›Zigeunerlager‹ in Auschwitz geht, da fällt den Politikern plötzlich ein, dass kein Geld mehr in der Kasse ist!«
Tatsächlich stand das vergangene Wochenende ganz im Zeichen des Gedenkens an den Warschauer Aufstand von 1944. Am Samstag heulten die Sirenen, Staatspräsident Lech Kaczynski und Premier Donald Tusk erinnerten an die polnischen Opfer und Helden. Nach Auschwitz-Birkenau am nächsten Tag kam zwar Wirtschaftsminister Waldemar Pawlak, doch er erwähnte mit keinem Wort, dass sein Ministerium den finanziellen Zuschuss für die Roma-Gedenkfeier gestrichen hatte. Für Polens Medien war der Gedenktag an die Liquidierung des »Zigeunerlagers« in Auschwitz-
Birkenau vor 65 Jahren kein Thema. Kaum jemand in Polen weiß, dass die SS am 2. August 1944 rund 3.000 Sinti und Roma in die Gaskammern trieb.
»Als ich hörte, dass die Roma das bereits organisierte Gedenkkonzert in der Krakauer Philharmonie absagen und sogar Überlebende des Lagers und deren Angehörige wieder ausladen mussten, habe ich sofort zum Hörer gegriffen«, sagt Piotr Kadlcik, der Vorsitzende des Jüdischen Gemeindeverbands in Polen. Innerhalb kürzester Zeit organisierte er eine Solidaritätsaktion. Die jüdischen Gemeinden in Krakau und Bielsko-Biala waren sofort einverstanden, auch die Gemeinde in Warschau. Später schloss sich der Aktion auch die deutsche Minderheit in Polen an. »Wenn die polnische Regierung den Roma den Hahn zudreht, können wir doch nicht einfach danebenstehen«, sagt Kadlcik. »Noch dazu wenn es um einen Jahrestag in Auschwitz geht.«
Zwar kam nicht die ganze Summe in Höhe von 100.000 Zloty (rund 25.000 Euro) zusammen, doch ein großer Teil. »Ich habe mich so gefreut, als Kadlcik anrief und danach die anderen!«, erzählt Kwiatkowski. »Wir sind nicht allein! Normalerweise mag man uns Roma ja nur, wenn wir uns bunt anziehen, singen und tanzen.« Bitter setzt er hinzu: »Das Geld für die ›Zigeunerfolklore‹ hat die Regierung übrigens nicht gestrichen.«
Er habe im Krieg seine ganze Familie verloren, über 100 Verwandte, im KZ, bei Erschießungen und Todesmärschen. Nach den Juden und Polen seien die Roma die größte Gruppe gewesen, die in Auschwitz umgebracht worden sei. Nach der Ermordung der Roma 1944 sei das »Zigeunerlager« aufgelöst worden. »Die Polen erinnern am 1. September an den Warschauer Aufstand«, sagt Kwiatkowski. »Das ist richtig. Aber auch wir sind Bürger dieses Landes und wollen unserer Toten gedenken.«
Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, nannte in seiner Rede die Solidaritätsaktion der polnischen Juden mit den Roma »einmalig und beispielhaft«. In Auschwitz erinnerte er nicht nur an die Holocaust-Opfer, zu denen neben den Juden auch die Sinti und Roma zählten, sondern mahnte die Politiker, »die rassistisch motivierte Gewalt gegenüber Sinti und Roma endlich ebenso konsequent zu ächten wie den Antisemitismus«. In Ungarn seien im letzten Jahr sieben Roma von Rechtsradikalen ermordet worden. Gabriele Lesser
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