Fast sechs Jahre ist es her. Mit seiner antisemitischen Rede zum Tag der Deutschen Einheit und Äußerungen wie die »Juden als Tätervolk« löste der Fuldaer CDU-Abgeordnete Martin Hohmann am 3. Oktober 2003 eine neue Antisemitismus-Debatte aus. Der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann bemerkte dazu, dass der Antisemitismus längst in der Mitte der deutschen Gesellschaft angelangt sei.
Über diesen »mitten in der deutschen Gesellschaft verankerten Antisemitismus« will nun das kürzlich ins Leben gerufene »Bündnis gegen Antisemitismus Kassel« aufklären. Anlass ihres Zusammenschlusses waren Ausschreitungen am Rande einer Demonstration, die das Kasseler Friedensforum organisiert hatte. Dabei atta-
ckierten Demonstrationsteilnehmer Pro-Israel-Aktivisten an ihrem Stand »Israel will Frieden«. Inzwischen hat das Bündnis nach eigenen Angaben 20 Mitglieder und seitdem mehrere Informationsstände in der Stadt organisiert.
»Antisemitismus ist nicht nur ein Problem bei Rechtsextremen, sondern in der Gesellschaft weit verbreitet«, sagte Jonas Dörge. Ein Indiz sei für ihn ein neuerlicher Vorfall in Kassel: Kürzlich wurde eine Ta-
fel, die an die von den Nationalsozialisten zerstörte Synagoge erinnert, mit Farbe beschmiert. »Es war offensichtlich keine rechtsextremistische Tat, sie zeigt jedoch, wie unbedarft Menschen mit dem Thema umgehen«, sagte Dörge.
Im Subtext vieler politischer Reden offenbare sich ein »ehrbarer Antisemitismus«, der »scheinbar moralisch im Recht ist«, meint Ralf M. Damitz, ebenfalls ein Mitglied des Bündnisses. Der Nahostkonflikt, so Damitz, liefere »Material, um alte Ressentiments mit neuen Inhalten zu füllen«. So komme es immer wieder zu einseitigen Verurteilungen Israels, während der Terror der Hamas verschwiegen werde. Bei den im November geplanten Veranstaltungen soll unter anderem die Rolle der Medien bei der Berichterstattung über den Gasakonflikt thematisiert werden, daneben soll es dann auch um den in der deutschen Linken verbreiteten Antisemitismus gehen. Ralf Pasch
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